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Das Fürstentum Monaco ist bekannt für seine Reichen und Schönen, hat aber eine gravierende Schattenseite: In Fragen der Pressefreiheit, des Pluralismus und der Gewaltenteilung genügt der Kleinstaat bei weitem nicht allen demokratiepolitischen Erfordernissen des Europarats. Wird Demokratie also klein geschrieben im wohlhabenden Land am Südrand Frankreichs?
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Monaco und Monte Carlo sind seit dem frühen 20. Jahrhundert Synonyme für mondäne Hautevolee, ein Steuerparadies, in dem sich die Reichen und Superreichen die Klinke in die Hand geben. Im Casino werden Millionen verspielt, im Yachthafen dümpeln die Statussymbole der V.I.P.s, und kein Regenbogenblatt kommt ohne Stories über die Affären der Prinzessin Stephanie oder das ewige Junggesellenleben von Prinz Albert aus.
Doch wenn Monaco auch primär bekannt dafür ist, Millionären ein steuerfreies Dasein in einer Garconiere á la Großfeldsiedlung mit Blick auf einen Betonklotz zu bieten, so ist Monaco dennoch auch ein Staat. Zwei Quadratkilometer groß (was der Größe des Wiener Bezirks Margareten entspricht), zählt er derzeit knapp 6.000 Einwohner. Und die leben unter Bedingungen, die europäischen Menschenrechtsstandards nicht entsprechen.
Der Felsen der Dynastie
Seit es Monaco gibt, wird es von der Familie Grimaldi beherrscht. 1297 war es, da Francesco Grimaldi, sinnfälligerweise "Il Malizioso" (etwa: der Hinterfotzige) genannt, sich als Franziskanermönch verkleidet Zutritt zu der kleinen genuesischen Garnison verschaffte, aus der seine Familie im Laufe der Zeit Monaco bilden sollte. Die nächsten Jahrhunderte sehen an der Cote d´Azur einen typischen feudalen Kleinstaat, der im wesentlichen aus den drei Dörfern Monaco, Roquebrune und Menton besteht, kaum 3.000 Einwohner hat und für ziemlich alle Nationen des Mittelalters und der frühen Neuzeit uninteressant ist.
Mutmaßlich deshalb überdauert Monaco die Stürme der Zeit und existiert auch noch zu Zeiten der französischen Revolution. Doch Danton, Robespierre & Co. haben kein Verständnis für einen absolutistisch regierten Staat, auch wenn er nur aus einem einzigen Felsen besteht. 1792 marschieren französische Truppen in Monaco ein und beenden 495 Jahre Grimaldiherrschaft vorerst.
Doch die Grimaldis haben viele Freunde unter den gekrönten Häuptern, und so gelingt es ihnen, 1814 beim Wiener Kongress wieder in ihre alten Rechte eingesetzt zu werden. Daher darf der Anachronismus am Mittelmeer noch weitere 46 Jahre vor sich hinvegetieren, ehe das italienische Risorgimento den Grimaldis an die Gurgel geht. Guiseppe Garibaldi begeistert die monegassischen Bürger für Ideale wie Freiheit und Gleichheit, und so sieht sich Fürst Charles III. von Monaco plötzlich um Roquebrune und Menton gebracht. Was bleibt, sind nicht einmal sieben Prozent des ehemaligen Staatsgebiets und gerade 1.100 Einwohner. Zum Überleben keineswegs genug.
Doch Charles hat die rettende Idee. Da in Frankreich das Glücksspiel verboten ist, lässt sich der Monarch aus Bad Homburg einen Casino-Betreiber kommen, der auf der brachliegenden Seite des monegassischen Felsens einen Spieltempel hinbaut.
Um für den Hochadel attraktiv zu werden, geht Charles Wege, die in Monaco zuvor vollkommen unbekannt waren: er lässt eine Eisenbahn von Nizza nach Monaco bauen, errichtet Hotels der Luxusklasse (zuvor gab es exakt eines gegenüber dem Palast ) und setzt auf Extravaganza mit Golf-und Tennisplätzen. Zudem erklärt er Monaco flugs zum Kurort, weshalb auch jeder Verschwender eine perfekte Ausrede für einen Besuch des neuen Eldorado besitzt. Die neue Siedlung benennt der Fürst nach sich selbst: Monte Carlo ward geboren.
Und tatsächlich beginnt Monaco zu boomen. Der britische Thronfolger Edward wird ebenso Stammgast in Monte Carlo wie Österreichs Kaiser Franz Joseph. Doch während ersterer mit Grandezza Unsummen verspielt, wird - so will es die Legende - letzterer gar nicht erkannt, weil er stets nur Nebbich-Beträge setzt. Im Sommer 1882 ist gar Karl Marx Gast der Grimaldis. Und er weiß, ohne ihr Casino wären die Monegassen nichts: "Monaco würde als fashionables Zentrum ohne die Spielbank zu Monte Carlo nicht sich erhalten", schreibt er seiner Tochter Eleanor - um aber zugleich seine prinzipielle Kapitalismuskritik anzubringen: "Und bei all dem, welche Kinderei solche Spielbank verglichen mit der Börse."
L'Etat c'est moi
Es scheint, als hätte sich Rainier III., der Monaco seit 1949 regiert, diesen Satz von Marx zu Herzen genommen. Unter seiner Herrschaft wandelt sich der Miniaturstaat endgültig von einer rückwärts gewandten "Sirkecke" zu einem riesigen schwer durchschaubaren Trust um, in dem 4.700 Firmen zumindest ein Postfach besitzen, vor allem aber hunderte Milliarden Euro gebunkert haben. Steuerfrei und anonym natürlich. Denn der Fürst weiß, was er seiner Kundschaft schuldig ist. Für Kritiker ist dies allerdings ein Anlass zu der Vermutung, dass in Monaco nicht nur Wäsche gewaschen wird.
Der vor allem von Frankreich immer wieder erhobene Vorwurf, Monaco sei ein Paradies für Wirtschaftskriminelle, ist aber bei weitem nicht der einzige Kritikpunkt am Miniaturstaat. Der Europarat verweigert Monaco seit 1998 beharrlich die Aufnahme, weil dieses, wie der Europarat in zwei grundsätzlichen Berichten 1999 und 2001 festgehalten hat, wesentliche demokratiepolitische Erfordernisse nicht zu erfüllen in der Lage ist.
Die Defizite im Detail
So gibt es im Fürstentum heute noch keine Presse- oder Versammlungsfreiheit, keinen gesellschaftlichen Pluralismus und keine Gewaltenteilung. Die Ehefrau ist ihrem Mann noch immer untertan, und wer das Missfallen des Fürsten erregt - weil er etwa zu einer Audienz zu leger gekleidet erscheint -, kann mit lebenslangem Landesverweis bestraft werden. Es gibt lediglich ein Einparteienparlament, was aber nicht von Belang ist, da es weniger Kompetenzen hat als seinerzeit die Abgeordnetenhäuser in den kommunistischen Staaten.
Die 18 Abgeordneten - allesamt Mitglieder der UND (Union Nationale et Democratique) - haben weder ein Interrogations- noch ein Interpellationsrecht. Das Recht zur Gesetzesinitiative liegt allein beim Fürsten, der auch sämtliche Regierungsmitglieder (vier an der Zahl: der Premier und die Ressortverantwortlichen für Inneres, Finanzen und Öffentliche Arbeiten) ernennt, die allein ihm verantwortlich und vom Parlament nicht abberufbar sind.
Der Fürst beruft auch alle Richter des Landes, die ihm weisungsgebunden sind. Als etwa ein Richter 1998 Vorerhebungen gegen den Fischhändler Daniel Ducruet wegen des Verdachts der Geldwäsche zuließ, sah er sich prompt aus Amt und Würden gedrängt, war besagter Ducruet doch gerade das aktuelle Gspusi der Möchtegernsängerin und späteren Zirkus-Prinzessin Stephanie. Und als Premierminister Paul Dijoud sich zu der Bemerkung versteigt, er würde Monaco gerne "demokratisieren", da wacht er am nächsten Morgen als frischgebackener Botschafter in Buenos Aires auf.
Das Parlament, wie gesagt mehr als arm an Kompetenzen, hat lediglich in manchen Fällen ein Zustimmungsrecht, wobei dieses nur en bloc oder - theoretisch - gar nicht gewährt werden kann, sodass strittige Punkte meist mit einer Generalklausel quasi immunisiert werden. Bei internationalen Abkommen und Staatsverträgen bleibt den Parlamentariern lediglich ein Informationsrecht. Der Fürst muss ihnen mitteilen, was zumeist zuvor schon in den - französischen - Zeitungen zu lesen stand.
Der Fürst ist aber auch die einzige Instanz, die darüber zu befinden hat, wer sich in Monaco niederlassen darf oder nicht. Selbst Mitglieder der Familie Grimaldi, die sich irgendwann mit dem Fürsten einen Konflikt lieferten, sehen sich in solchen Fällen sehr schnell in die Schweiz ausgebürgert. Und die Neureichen, die bereit sind, 6.000 Euro Miete für eine 80 m²-Wohnung mit Blick auf den Hafen zu zahlen, erhalten ihr Bleiberecht stets nur gestundet.
Es empfiehlt sich daher, nur dann ein Objekt in Monaco käuflich zu erwerben - eine 100 m²-Wohnung (allerdings mit Bergblick) geht schon um zwei Millionen Euro weg -, wenn man in der Lage ist, den Mund zu halten. Sonst nämlich könnte es sein, dass man sein Eigentum von heute auf morgen nicht mehr betreten darf.
Immerhin gab es in den letzten 40 Jahren auch Fortschritte. 1962 erhielt Monaco erstmals eine Verfassung. Die Todesstrafe (auch jene für Majestätsbeleidigung, die noch unter Charles III. exekutiert wurde) schaffte Rainier III. ab, der seinen Untertanen 1963 erstmals ein allgemeines Wahlrecht gewährte. Doch da außer der - vom Fürsten genehmigten und in ihren Mitgliedern von diesem handverlesenen - UND nur die völlig bedeutungslose Parti Socialiste (mit angeblich 100 Mitgliedern) existiert, ist die Wahl auch heute noch keine wirkliche, zumal die UND stets 18 Kandidaten für 18 Mandate aufzustellen pflegt
Neue Wege?
Aber immerhin können dieWählerInnen innerhalb der Liste Umgruppierungen vornehmen, wie UND-Parteichef Jean Rey stolz verkündet. Und da die UND-Mandatare so sichtlich "unabhängig" sind, erübrige sich, so Rey, auch "die Ausarbeitung und Annahme eines philosophischen Programms".
Die Film- und Sportstars, die Bankiers und Glücksritter mag dies nicht sonderlich stören, doch andernorts würde es bedenklich stimmen, wenn die Jugend ob solcher Bedingungen in Massen emigriert. Monaco aber hat damit kein Problem, denn Franzosen, Italiener und selbst Portugiesen springen gerne ein, um Monacos Tourismusindustrie am Laufen zu halten.
Immerhin bemüht sich Monaco seit 1998 um die Aufnahme in den Europarat und hat, um dessen Bedingungen zu erfüllen, im April dieses Jahres eine neue Verfassung angenommen. Eine wirkliche Änderung der Verhältnisse erhoffen sich die Monegassen aber weit mehr von Prinz Albert, dem Thronfolger. Dieser soll mehr Demokratie wagen und die Sozialstandards für die eigenen Bürger heben.
In der Tat zeigt sich Albert sozial engagiert: er setzt sich nach eigenen Angaben für den WWF ein - während ihm etwa Greenpeace zu politisch ist - und hat ein Herz für die Dritte Welt, sagt er. In puncto Todesstrafe ist Albert weniger liberal als sein Vater. Er meint: "Ich bin noch immer ein Verfechter dieser Strafe. Der Gedanke, dass man Menschen wieder freilässt, die Kinder vergewaltigt haben, und es dadurch ermöglicht, dass sie zu Wiederholungstätern werden, ist mir unerträglich."
Auch in Sachen Pressefreiheit verspricht Albert wenig Gutes, schreitet er doch regelmäßig gegen ausländische Presswerke ein, die ihm nicht genehme Artikel veröffentlicht haben. Vielleicht wird man also bis zu seinem (derzeit) präsumptiven Nachfolger Andreas (dem ältesten Sohn von Prinzessin Caroline) warten müssen, ehe sich wirklich etwas in Monaco ändert.
Bis dahin wird Monaco mutmaßlich weiter weit eher eine GmbH denn ein Staat sein - und die Monegassen werden ihren Fürsten wohl auch in Hinkunft "Le Patron" nennen. Und in den westlichen Medien werden wir auch fürderhin die High Society beim Grand Prix von Monaco sehen. Denn selbst wenn heute die Börsen stürzen - die Kugel im Casino rollt weiter!
Zum Thema Monaco und seine Regierung ist kürzlich ein neues Buch erschienen: Bettina Grosse de Cosnac: Der Clan von Monaco. Geschichte und Gegenwart der Grimaldis. Europa Verlag, Hamburg. 376 Seiten. Die Autorin erzählt die wechselvolle Geschichte der Grimaldis von ihren Anfängen bis hin zu Fürst Rainier, Grazia Patricia und ihren Kindern,