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"Paradiesische Zustände gibt es nicht"

Von Katharina Schmidt

Politik

"Nachdenk- und Handlungsbedarf auf mehreren Gebieten." | Sünkel hofft auf mehr Geld und Ende der Besetzungen. | "Wiener Zeitung:" Sie treten als neuer Rektoren-Chef wohl ein schweres Erbe an: Ihr Amtsvorgänger Christoph Badelt hat angesichts der Bewegungsunfreudigkeit der Bildungspolitik fast resigniert aufgegeben. Werden Sie da mehr bewegen können? | Hans Sünkel: Dieses Erbe ist nicht schwierig. Es ist zwar die gegenwärtige Situation durch zahlreiche Entwicklungen nicht einfach geworden, aber auch Badelt hat bei seinem Amtsantritt ebensolche Schwierigkeiten gehabt. Es gibt in der Tat auf manchen Gebieten Nachdenk- und Handlungsbedarf.


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Welche Gebiete sind das?

Einerseits muss die Universitätenfinanzierung auf solidere Beine gestellt werden. Die Unis sind deutlich unterfinanziert und das muss sich ändern, wenn die Politik wirklich ein nachhaltiges Commitment zu Bildung und Forschung und damit zur Zukunft unseres Landes abgeben möchte. Zum Zweiten geht es um Zugangsregelungen - nicht Beschränkungen: Derzeit gibt es in einigen wenigen Gebieten enormen Zuspruch, dahinter findet sich aber nur ein sehr eingeschränkter Markt der Betätigung. In anderen Gebieten wäre der Markt sehr aufnahmefähig, der Zustrom ist aber sehr gering. Hier sanft steuernd einzugreifen wäre ganz im Sinne des Erfinders. Bei den Studierendenprotesten glaube ich, dass sich die ursprüngliche Intention - auf tatsächliche Probleme im tertiären Bildungsbereich hinzuweisen - mittlerweile quasi erledigt hat. Ich würde mir wünschen, dass es hier bald ein Ende gäbe. Sie hören aber nicht von mir, dass harte Maßnahmen kommen.

Im Zusammenhang mit Zugangsregeln sprechen Sie von "sanft steuern": Wie soll das aussehen?

Damit meine ich, dass man die angehenden Studierenden mit hinreichenden Informationen versorgen soll, so dass sie die Möglichkeit haben, eine auf ihre persönlichen Attribute maßgeschneiderte Bildung zu konsumieren. Zweitens geht es darum, dass man die Berufsaussichten sehr deutlich darstellt, sodass dadurch auch gewisse Anreize gegeben werden.

Was halten Sie von einer Studienplatzbewirtschaftung?

Ich bin klar dafür. Die Unis haben drei Problem auf einen Schlag, die das Gesamtproblem der universitären Landschaft ausmachen: Freien Hochschulzugang, keine Studienplatzbewirtschaftung und de facto keine Studiengebühren. Hinter einer Studienplatzbewirtschaftung steckt aber eine Kosten- und Leistungsrechnung, die es derzeit nicht gibt. Diese müsste in den nächsten Jahren installiert werden.

Eine Bewirtschaftung hängt mit einer Platzbeschränkung zusammen. Studenten und SPÖ lehnen dies ab .. .

Es mag schon sein, dass die Sozialdemokratie dem nichts abgewinnen kann. Aber eines steht für mich fest: Die paradiesischen Zustände, die man der Uni zuschreibt, gibt es nur in der Vorstellungswelt, aber in keinem einzigen System der Welt. Wir haben beschränkte Kapazitäten personeller, räumlicher, infrastruktureller und finanzieller Art und die sind nicht kompatibel mit beliebigen Studierendenzahlen. Wenn man absolute Freiheit zulässt und gleichzeitig Einschränkungen im Kapazitätsbereich hat, dann kommt es nolens volens zu einem Qualitätsverlust, den die Universitäten wirklich nicht brauchen.

Sie waren gegen die Abschaffung der Studiengebühren. In welcher Form sollte es Gebühren geben?

Ich persönlich war immer ein Befürworter von moderaten Beiträgen, weil das Lenkungseffekte nach sich zieht. Bei einer etwaigen Erhöhung der Studiengebühren sollte unter allen Umständen das Stipendiensystem gestärkt werden. Als Alternative zu Gebühren kann ich mir in Anlehnung an das skandinavische Modell auch Darlehen durchaus vorstellen.

In welchem Ausmaß sollte die Uni-Finanzierung steigen?

Wir wollen eine Roadmap, die sich an dem Ziel der European University Association, zwei Prozent des BIP für den tertiären Bereich bereit zu stellen, orientiert. Es braucht einen klaren Pfad, der nicht nur auf Papier festgehalten werden darf, mit Planungssicherheit für die nächsten Jahre. Und da wäre es in höchstem Maße notwendig, 2010 rund 150 bis 200 Millionen Euro zusätzlich für die Unis bereitzustellen.

Siehe auch:Porträt Hans Sünkel

+++ Front der Besetzer bröckelt

+++ Leitartikel: Scheuch müsste man sein