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Parallel und doch windschief

Von Matthias Nagl

Politik

In Oberösterreich sind seit der Wahl schon zwei Wochen vergangen, dennoch ist einiges unklarer als in Wien.


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Linz. Die Ausgangslage vor den Landtagswahlen dieses Herbstes in Wien und Oberösterreich war durchaus vergleichbar. Sie ließ sich in einem Satz ungefähr folgendermaßen zusammenfassen: Lange amtierender Landeshauptmann verteidigt von etwa 45 Prozent aus einen klaren Vorsprung.

Die Unterschiede waren marginal. Michael Häupl kam in Wien im November 1994 ins Amt, Josef Pühringer in Oberösterreich im März 1995, keine fünf Monate später. Pühringer ging mit seiner ÖVP von 46,8 Prozent ins Rennen. Bei der Landtagswahl davor hatte er um gut drei Prozentpunkte dazugewonnen. Häupl und die SPÖ starteten bei 44,3 Prozent in den Wahlkampf. Und für den Wiener Bürgermeister setzte es schon vor fünf Jahren ein Minus von knapp fünf Prozentpunkten. Das war der größte Unterschied in der Ausgangslage. Denn Häupl und Pühringer gelten in Österreich neben Erwin Pröll aus Niederösterreich auch als Prototypen des allmächtigen Landeshauptmanns und haben in praktisch jeder Diskussion über den Föderalismus und die Macht der Länder ihren Stammplatz.

Pühringer in der Diskussion

In der medialen Diskussion wurden die beiden Wahlen im Verlauf des Jahres meist in einem Atemzug genannt. Als singuläre Ereignisse wurden die beiden Wahlen nur im jeweils eigenen Bundesland wahrgenommen. Im Nachhall fühlen sich die beiden Wahlen aber doch recht unterschiedlich an.

Das liegt nicht nur daran, dass Pühringers ÖVP mit einem Minus von 10,4 Prozentpunkten wesentlich mehr verlor als Häupls SPÖ mit vorläufig minus 4,9 Prozentpunkten. Der Wiener Bürgermeister steht trotz allem als Wahlsieger da, Pühringer als Wahlverlierer. Am Wahlabend war das noch etwas anders. Es galt als sicher, dass die ÖVP ohne Pühringer als Spitzenkandidat noch stärker verloren hätte und der Landeshauptmann seine Partei gerettet hat.

Mittlerweile ist auch diese Wahrnehmung ins Wanken geraten. Anders ist es nicht zu erklären, dass in den Personalspekulationen für die künftige Landesregierung ein sofortiger Abgang Pühringers ebenfalls vorkommt. Dass der bald 66-Jährige noch lange Landeshauptmann bleibt, wird immer unwahrscheinlicher. Zwei bis drei Jahre soll es längstens noch dauern, bis er an Thomas Stelzer, bisher Klubobmann im Landtag und einziger ÖVP-Fixstarter in der nächsten Regierung, übergibt.

Die Spekulationen über Pühringers Zukunft haben auch viel mit Oberösterreichs politischem System und der ÖVP an sich zu tun. Denn die einzig offene Frage in der künftigen Landesregierung ist, ob die ÖVP drei oder vier Sitze hat. Beides ist möglich, die Antwort werden die Koalitionsverhandlungen geben, in denen die Gespräche mit der FPÖ für Pühringer "eine gewisse Priorität" haben. Dazu muss die ÖVP noch auf das interne Gleichgewicht der Bünde achten.

Andere Strategie als Häupl

Zumindest in diesem Punkt verfolgt Pühringer eine klare Linie, er will die vier Sitze für die ÖVP sichern. Auch in der Analyse blieb Pühringer nach der Wahl auf seinem Standpunkt. "In erster Linie waren das sowohl bei uns als auch in Wien natürlich keine Landtagswahlen", sagte Pühringer am Sonntag im ORF. Als Gründe für das Ergebnis führte er die Flüchtlingsströme und eine tiefgreifende Unzufriedenheit mit der Politik im allgemeinen an, vor allem EU- und Bundespolitik.

Das Wahlergebnis vom Sonntag kann argumentativ sowohl für als auch gegen die These von den Flüchtlingen als Wahlentscheider verwendet werden. Denn in Wien, wo die Flüchtlinge deutlich sichtbarer als in Oberösterreich Halt machten und wo traditionell mehr Flüchtlinge aufgenommen werden, war der Verlust für die größere Regierungspartei wesentlich geringer.

Pühringer machte es den Wählern vor der Wahl anders als Häupl in Wien aber nicht leicht, herauszufinden, wofür er steht. Er griff den Stil der FPÖ im Wahlkampf ungewohnt hart und direkt an, ließ sich aber auf keine klare Aussage zu einer möglichen Koalition ein. Zudem war er schon vor der Wahl argumentativ mit FPÖ-Chef Manfred Haimbuchner in Flüchtlingsfragen regelmäßig auf einer Linie: die Einführung von Grenzkontrollen, Asyl auf Zeit - beide betonten einmütig, das schon lange gefordert zu haben, als es Realität wurde.

Einen Wahlsieg und eine beinahe Verdoppelung erreichte damit aber nur Haimbuchner. Die 37-jährige FPÖ-Zukunftshoffnung aus Oberösterreich stellte damit auch HC Strache in den Schatten. Die FPÖ mag in Wien ihre Ziele erreicht haben, in Oberösterreich übertraf sie diese deutlich. Auch das ist ein Unterschied zwischen den beiden Wahlgängen.

SPÖ-Chef Entholzer bleibt

Eine Gemeinsamkeit und doch wieder nicht ist die traurige Rolle des jeweils kleineren Partners aus der Koalition auf Bundesebene. In Wien bekommt die ÖVP einen neuen Obmann, die SPÖ in Oberösterreich nicht. Nicht nur deshalb stellt sich die Lage in der oberösterreichischen SPÖ als besonders hoffnungslos dar. SPÖ-Chef Reinhold Entholzer wurde am Montag vom Parteivorstand als SPÖ-Vertreter in der Landesregierung bestätigt und kündigte eine neuerliche Kandidatur als Parteichef an.

Dabei registrierte die Partei den Verlust des Bürgermeistersessels von Wels an die FPÖ beinahe gleichgültig. Nach 70 Jahren fiel in der Stichwahl am Sonntag die rote Bastion. In den kommenden Jahren wird nun FPÖ-Spitzenkandidat Andreas Rabl Bürgermeister in Österreichs achtgrößter Stadt sein. Insgesamt hat die SPÖ nun sieben Bürgermeister weniger als vor der Wahl, während die FPÖ und ÖVP je drei Gemeindevorsteher gewannen.