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Die letzte Abstimmung über die umstrittene Arbeitsrechtsreform ist erst für nach der EM angesetzt. Dem Land drohen bis dahin "Guerilla-Szenen".
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Paris. Vor zehn Jahren hatten massive Studentenproteste den damaligen konservativen Präsidenten Jacques Chirac gezwungen, seine Arbeitsmarktreform zurückzuziehen. Und nun hat die französische Zivilgesellschaft ein noch ganz anderes Faustpfand in der Hand: Die Fußball-EM, ein prestigeträchtiges Großereignis, das aufgrund der nun geplanten Arbeitsmarktreform im Land bestreikt werden soll. Doch die sozialistische Regierung will sich nicht in die Knie zwingen lassen: Die letzte Abstimmung über das Gesetz im Parlament wird für Juli erwartet. Die EM beginnt am 10. Juni.
Dem Druck der Straße und der Gewerkschaften nachzugeben, würde bedeuten, "alles zu verlieren", sagte Ministerpräsident Manuel Valls der Zeitung "Journal Du Dimanche".
Finanzminister Michel Sapin pflichtete ihm in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters und drei europäischen Zeitungen bei: "Vor allem müssen wir hart bleiben." Alles andere wäre falsch, auch mit Blick auf jene Gewerkschaften wie die CFDT, die hinter der Reform stehen. Als Teil des Widerstandes haben andere Gewerkschaften wie die radikalere CGT Treibstofflager und Raffinerien blockiert.
Am Montag war an manchen französischen Tankstellen infolge von Gewerkschaftsprotesten weiterhin der Sprit knapp. 653 von 2200 Tankstellen des Ölkonzerns Total waren am frühen Nachmittag komplett oder teilweise ohne Treibstoff, wie das Unternehmen mitteilte. Total betreibt etwas weniger als ein Fünftel aller französischen Tankstellen.
Zudem wurde am Montag als Teil des Protest eine große Müllverbrennungsanlage in Paris verbarrikadiert. "Es kommt nichts mehr rein oder raus", sagte der CGT-Vertreter Baptiste Talbot.
Risiko "Guerilla-Szenen"
Der Pariser Tourismusverband warnte am Montag vor negativen Auswirkungen auf den Tourismus. Streiks, Blockaden und die teils gewaltsamen Proteste im Herzen von Paris mit "Guerilla-Szenen" seien ein "großes Risiko" für die Tourismusbranche. Besucher würden mit "Sorge und Unverständnis" reagieren.
Die Regierung unter François Holland will mit der umstrittenen Arbeitsmarktreform für mehr Beschäftigung sorgen, Firmen auch betriebsbedingte Kündigungen erleichtern und Frankreichs Konjunktur aus der Quasi-Stagnation holen.
Noch mehr Ungemach droht dem Tourismus seitens der Air-France-Piloten, die knapp zwei Wochen vor Beginn der Fußball-EM für einen Streik gestimmt haben. Über einen Zeitpunkt des Ausstands sei jedoch noch nicht entschieden, teilte die Piloten-Gewerkschaft SNPL am Montag mit. Der Protest richte sich in diesem Fall nicht gegen die Arbeitsmarktreform an sich, sondern gegen das Gehaltssystem bei der französischen Fluggesellschaft. Am 1.Juni treten eine Reihe von Maßnahmen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Fluggesellschaft in Kraft. Unter anderem werden die Nachtzuschläge für Piloten von bisher 50 Prozent auf 40 Prozent gesenkt. Die SNPL wirft der Fluggesellschaft vor, versprochene Zusagen nicht einzuhalten.
De jure bleibt zwar die 35-Stunden-Woche, auf die die Franzosen so stolz sind. Allerdings kann der Überstundenzuschlag von 25 Prozent auf 10 Prozent gesenkt werden, wenn das der interne Betriebsvertrag ermöglicht.
Unternehmen soll mittels einer Betriebsvereinbarung ein Opt-out aus dem Branchenkollektivvertrag ermöglicht werden.
Betriebsbedingte Kündigungen sollen - je nach Betriebsgröße - erleichtert werden. Entlassungen werden ermöglicht, wenn das Unternehmen vier Quartale in Folge einen Umsatzrückgang erleidet, oder wenn es zwei Quartale in Folge einen operativen Verlust schreibt. Derzeit ist eine betriebsbedingte Kündigung nur bei der Auflösung des Unternehmens oder einer technologischen Erneuerung möglich.
Angestellt sein auf "Entwicklungsbasis": eine Neuheit im französischen Recht. Wenn neue Märkte erobert werden sollen, kann sich der Arbeitsvertrag der Menschen in diesem Sektor je nach Entwicklung verändern - mehr oder weniger Stunden, mehr oder weniger Gehalt. Diese äußerst flexiblen Verträge sollen auf zwei Jahre befristet sein.
Die wichtigsten Punkte der Reform
De jure bleibt zwar die 35-Stunden-Woche, auf die die Franzosen so stolz sind. Allerdings kann der Überstundenzuschlag von 25 Prozent auf 10 Prozent gesenkt werden, wenn das der interne Betriebsvertrag ermöglicht.
Unternehmen soll mittels einer Betriebsvereinbarung ein Opt-out aus dem Branchenkollektivvertrag ermöglicht werden.
Betriebsbedingte Kündigungen sollen – je nach Betriebsgröße – erleichtert werden. Entlassungen werden ermöglicht, wenn das Unternehmen vier Quartale in Folge einen Umsatzrückgang erleidet, oder wenn es zwei Quartale in Folge einen operativen Verlust schreibt. Derzeit ist eine betriebsbedingte Kündigung nur bei der Auflösung des Unternehmens oder einer technologischen Erneuerung möglich.
Angestellt sein auf "Entwicklungsbasis": eine Neuheit im französischen Recht. Wenn neue Märkte erobert werden sollen, kann sich der Arbeitsvertrag der Menschen in diesem Sektor je nach Entwicklung verändern – mehr oder weniger Stunden, mehr oder weniger Gehalt. Diese äußerst flexiblen Verträge sollen auf zwei Jahre befristet sein.