Empfindlicher Gesichtsverlust Frankreichs in der arabischen Welt. | Paris. (dpa) Wie ein "geprügelter Hund" trat Außenminister Philippe Douste-Blazy den Rückzug an. Nach der unerwartet heftigen Schelte der Libanesen und der Arabischen Liga zog der Franzose Montagabend den mühsam mit den USA erarbeiteten Entwurf einer Libanon-Resolution des UNO-Sicherheitsrates zur Nachbesserung zurück. Der Text müsse mehr auf die arabischen Forderungen eingehen, sagte Douste-Blazy.
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Überrascht registrieren die Franzosen, wie stark die radikalen Schiiten im Zuge des Krieges in das politische Leben des Libanon integriert wurden. Die Entwicklung schwächt den traditionellen Einfluss Frankreichs in seinem früheren Völkerbund-Mandatsgebiet, der sich vor allem auf die geschäftstüchtige Christen-Elite stützt. Ausgerechnet jetzt, wo französische Soldaten das Rückgrat einer Friedenstruppe für den Südlibanon bilden könnten, droht Paris dort die Abseitsfalle.
Zwischen Hammer und Amboss geraten
Frankreich sei "zwischen Hammer und Amboss" geraten, analysiert François Géré vom Französischen Institut für Strategische Analyse IFAS. Und das Institut für Internationale und Strategische Beziehungen IRIS sieht Paris "in der Zange" zwischen seinem Willen, im Gleichklang mit den USA zu bleiben, und dem Wunsch, der Akteur mit dem größten Einfluss auf eine libanesische Friedenslösung zu sein.
Aus zwei Gründen hatte Staatspräsident Jacques Chirac sich in der Libanon-Politik dem US-Kurs angenähert: Erstens will er im anstehenden Wahlkampf - nächstes Jahr finden in Frankreich Präsidenten- und Parlamentswahlen statt - eine Konfrontation mit Washington wie vor dem Irak-Krieg vermeiden. Und zweitens hat er die Ermordung des libanesischen Ex-Ministerpräsidenten und Multimilliardärs Rafik Hariri im Februar 2005 nicht verziehen, der seit Jahrzehnten sein enger Freund und Gesprächspartner war. Die Bluttat wird dem Regime Syriens zugeschrieben, das die Hisbollah im Libanon unterstützt.
Bereits mit der UNO-Sicherheitsrats-Resolution 1559 zur Entwaffnung der Hisbollah geriet Frankreichs Mittlerposition im Libanon ins Rutschen. Die Schiitenmiliz hat Chiracs Beharren in dieser Frage nicht vergessen. Nach der arabischen Ohrfeige für den Entwurf der Libanon-Resolution bemüht sich Paris nun, nicht "als Hilfstruppe der Amerikaner zu erscheinen, die für die israelischen Generäle arbeiten", wie es ein französischer Offizier ausdrückte.
Die französischen Streitkräfte können nach eigenen Angaben "sehr schnell mehrere Tausend Mann mit schweren Waffen" wie Kampfpanzern und Bombern in den Libanon verlegen. Ein längerfristiger Einsatz brächte aber Probleme. Vor allem aber fürchten die Franzosen ein "neues Drakkar". Am 23. Oktober 1983 waren im französischen Lager "Drakkar" in Beirut 58 Fallschirmjäger bei einem Sprengstoffanschlag getötet worden. Unweit davon starben 241 US-Soldaten. Hinter den Attacken wird die Hisbollah vermutet.
Rückwirkungen auf Einwandererviertel
"Es kommt nicht in Frage, unsere Soldaten in den Südlibanon zu schicken, damit sie wie Hasen abgeschossen werden", sagte Chirac der Zeitung "Le Canard enchainé" zufolge. Und der Präsident sieht noch eine weitere, viel näher liegende Gefahr: Kämpfe mit der Hisbollah könnten Unruhen in Pariser Einwanderervierteln auslösen, wo der Islam an Boden gewinnt.