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Paris: Seguin zum Pakt mit Tiberi gezwungen

Von Rainer Mayerhofer

Politik

Paris - In einem letzten verzweifelten Versuch, das Amt des Pariser Bürgermeisters bei der am kommenden Sonntag stattfindenden Stichwahl doch noch für die Rechte zu retten, soll der Kandidat der Neogaullisten, Philippe Seguin, Listenverbindungen mit dem skandalgeschüttelten Noch-Bürgermeister Jean Tiberi eingehen.


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Seguins Listen haben im ersten Wahlgang am vergangenen Sonntag nur 25,74 Prozent der Stimmen gewonnen, gegenüber 31,37 die auf die Listenverbindung des sozialistischen Kandidaten Bertrand Delanoe entfallen sind. Der aus der neogaullistischen Partei (RPR) wegen zahlreicher Skandale ausgeschlossene Jean Tiberi brachte es überraschend auf 13,92 Prozent und lag damit noch vor den Grünen, die von 12,35 Prozent der Pariser gewählt wurden. Knapp über sechs Prozent wählten weitere linke Gruppen, rund acht Prozent rechte Listen, davon 3,5 Prozent die Liste der rechtsextremen Front National.

Seguin, der sich als letzter Erbe De Gaulles fühlt und seine Pariser Wahlkampagne auf einer Strategie des Bruchs mit der skandalumwitterten Vergangenheit angelegt hat, wurde nach einem Treffen Chiracs mit RPR-Chefin Michele Alliot-Marie aufgefordert, mit dem Noch-Bürgermeister Tiberi Distrikt für Distrikt Wahlallianzen einzugehen. Zuvor hatte Seguin schon seine Listen in jenen Bezirken zurückgezogen, wo er hinter Tiberis Wahlbündnis lag. Der RPR-Abgeordnete Pierre Lelouche, ein persönlicher Freund Chiracs, der im 9. Pariser Stadtbezirk kandidierte, fusionierte gar mit der Tiberi-Liste. Seguin, der seine Wahlstrategie verraten sieht, konterte: "Leluoche ist von diesem Moment an ein Tiberi-Kandidat. Man kann nicht Wähler zusammenzählen wie Erbsen. Statt unser Wählerpotential zu steigern, gehen wir das Risiko ein, es zu vermindern."

Dabei ist Seguin ein gebranntes Kind, was die Unterstützung durch Chirac betrifft. 1997 nach der Wahlschlappe der Rechten zum Parteichef der Neogaullisten gewählt, hatte er sich nach den für seine Partei schlecht verlaufenen Regionalwahlen des darauffolgenden Jahres strikt gegen eine Zusammenarbeit mit der Front National ausgesprochen und gegen zuwiderhandelnde Politiker seiner Partei Ausschlussverfahren durchgesetzt. Aus Zorn über den mangelnden Rückhalt bei Chirac hatte er im Europawahlkampf 1999 seine Funktion als Parteichef und Spitzenkandidat niedergelegt.

Aber nicht nur in Paris befindet sich die bürgerliche Rechte kurz vor der Stichwahl in einem Dilemma. In Lyon gibt Charles Millon, der seinerzeit wegen seiner Allianz mit der Front National aus der RPR ausgeschlossen wurde, den Ton an. Der Zentrumsliberale Jean-Michel Dubernard, die kurzfristig Listenchef Michel Mercier ersetzen musste, der mit dem verhassten Millon nicht einmal auf einem Foto gemeinsam abgebildet werden möchte, soll vom Elysee-Palast ebenfalls gedrängt werden, ein Bündnis einzugehen.

Präsident Jacques Chirac, dessen Mandat im kommenden Jahr ausläuft und der sich der Wiederwahl stellen wird, fürchtet nichts so sehr wie einen Sieg der Linken in wichtigen Kommunen, durch den er seine Chancen auf eine zweite Amtszeit gefährdet sieht. Er lässt dabei keine Möglichkeit aus, selbst auf die Gefahr hin, wie 1997 bei den vorgezogenen Neuwahlen auf die falsche Karte zu setzen.