Stippvisite bei Alfred Gusenbauer und Heinz Fischer. | Differenzen lediglich beim Thema Energiepolitik. | Wien. Gerade einmal drei Stunden war Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy in Wien. Zu wenig, meinten manche, doch für den Terminplan von "Speedy-Sarko" - wie das Staatsoberhaupt in seiner Heimat gerne genannt wird - wohl angemessen.
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Vier Uhr morgens besuchte er am Dienstag die Großmarkthalle von Rungis bei Paris, Mittwoch war er zu EU-Gesprächen in Polen, noch am Donnerstag Abend traf er mit dem frischgebackenen russischen Ministerpräsidenten Wladimir Putin zusammen. Die Presse hat Mühe mit dem umtriebigen Präsidenten Schritt zu halten. Die großen französischen Zeitungen haben für ihn gleich zwei Journalisten abgestellt, die sich wohl je nach Ermüdungsgrad abwechseln.
Am Freitag war also Österreich dran. Und wenn es auch nur drei Stunden waren, die Sarkozy dort verbrachte, so kommt er bei seiner Hauptstädte-Tour im Vorfeld der französischen EU-Ratspräsidentschaft doch nicht in jedes Land persönlich. Die Hälfte der EU-Staaten müssen sich mit einer Visite von Sarkozys Premierminister François Fillon zufrieden geben, unter ihnen beispielsweise Spanien und Finnland.
Neues Kapitel inbilateralen Beziehungen
"Die Carla Bruni kommt eh nicht", sagte ein Passant zu seiner Begleitung am Ballhausplatz, wo sich Freitagvormittag vor Präsidentschaftskanzlei und Bundeskanzleramt bereits die Journalistentrauben formierten. Das Verhältnis der Österreicher zu Frankreich hat sich in letzter Zeit offenbar gewandelt. Noch vor acht Jahren wären es statt der First Lady Animositäten wegen der von Frankreich vorangetriebenen EU-Sanktionen gewesen, die Österreich beschäftigen. Doch diese Zeit scheint in weite Ferne gerückt.
Das machte auch Sarkozy deutlich, wenngleich er es extra betonen musste. "Ich bin mir bewusst, dass es Missverständnisse und Schwierigkeiten gegeben hat", sagte Sarkozy vor dem interessierten Publikum bei der Pressekonferenz mit Bundeskanzler Alfred Gusenbauer, zu der sich mit leichter Verspätung auch Außenministerin Ursula Plassnik gesellte. Heute sei er gekommen, um ein neues Kapitel in der Beziehung zwischen Österreich und Frankreich aufzuschlagen; den Luxus von Groll und Zorn leistet sich der Pragmatiker ohnedies nicht.
An und für sich ist ja die Eiszeit zwischen Wien und Paris schon seit Jahren vorbei. Doch diesmal hatte die Aussöhnung einen außerordentlich offiziellen Anstrich, dem auch der von Sarkozy "Premierminister" genannte Gusenbauer Rechnung trug: "Der Besuch ist für mich eine sehr große Freude und Ausdruck des guten bilateralen Verhältnissen zwischen unseren beiden Ländern."
Unterstützung beiWegekostenrichtlinie
Sarkozy wartete sogleich mit einer für Österreich erfreulichen Mitteilung auf. Frankreich unterstütze Österreichs Forderungen bei der geplanten Wegekostenrichtlinie. "Bei diesem Thema sind wir ganz auf der Seite Österreichs und für eine Internalisierung der externen Kosten", erklärte Sarkozy. Das heißt, dass Faktoren Umweltverschmutzung oder Lärm bei den Mautkosten einberechnet werden.
Auch beim Thema Klimapolitik traten die beiden Spitzenpolitiker betont einmütig auf. Man werde danach trachten, dass der Schwerindustrie keine Nachteile entstehen, sagte Gusenbauer.
Kanzler und Präsident sprachen sich zudem für Maßnahmen aus, die Spekulationsgeschäften mit Treibstoff und anderen Energieressourcen einen Riegel vorschieben sollen. "Dafür wollen wir Sorge tragen mit einer gemeinsamen, europäischen Politik", so Gusenbauer.
Lediglich bei der Energiepolitik wurden offen Differenzen eingeräumt. Dass man hier nicht denselben Weg verfolge sei offensichtlich, sagte Sarkozy. Schließlich habe sich Österreich bereits in den 60er Jahren gegen Atomenergie ausgesprochen. Der Präsident hingegen ist ein großer Verfechter des Nuklearstroms.
Doch selbst das stellte für Sarkozy kein Problem dar. Denn gerade die Differenzen und die sich daraus ergebende Vielfalt seien das, was Europa ausmache. Es müssten ja nicht alle Länder denselben Weg gehen.
Der nächste Besuch des französischen Staatspräsidenten könnte schon bald erfolgen. Dann nämlich wenn Frankreich im Finale der Fußball-EM stehen sollte. In diesem Fall wird dann Sarkozy nicht nur wieder nach Wien kommen, sondern wohl auch länger als drei Stunden bleiben.