Zum Hauptinhalt springen

Parkinson noch unaufhaltsam

Von Alexandra Grass

Wissen
Abgestorbene Gehirnzellen machen sich erst ab einem gewissen Ausmaß in Symptomen bemerkbar.
© Fotolia/Naeblys

Therapeutische Impfung in ersten Studien vielversprechend. Biomarker zur Früherkennung gesucht.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 7 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien. Vor 200 Jahren hat der englische Arzt James Parkinson das nach ihm benannte Leiden erstmals beschrieben. Er hatte bei Patienten eine Verlangsamung ihrer Bewegungsabläufe erkannt, aber auch das für die Erkrankung typische Zittern und die Steifheit der Muskulatur. Dagegen tun konnte er damals nichts.

Im Laufe der Zeit haben sich Substanzen herauskristallisiert - vor allem der Botenstoff Dopamin -, die Parkinsonpatienten Erleichterung verschaffen. Dabei handelt es sich aber nur um sogenannte symptomatische Therapien, die in den letzten zwei Jahrzehnten in unterschiedlichster Kombination angewendet werden. Der Verlauf der Erkrankung lässt sich bis heute nicht aufhalten. "Wir spielen seit 20 Jahren auf demselben Klavier", skizzierte der Wiener Parkinson-Spezialist Dieter Volc am Freitag bei einem Aktionstag der Parkinson Selbsthilfe Wien.

Verklumpte Proteine

Viele neue Ideen und Erkenntnisse könnten in Zukunft allerdings zu einer Veränderung dieser derzeit noch tristen Situation beitragen, denn der Nebel rund um die häufige neurologische Erkrankung beginnt sich zu lichten. Im Visier der Forschung steht ein Protein namens Alpha-Synuclein. Dieses spielt eine große Rolle in der Regulation der Dopamin-Ausschüttung und scheint schuld am Fortschreiten von Parkinson zu sein.

Verklumpt dieses Eiweiß, beginnt es nämlich, Nachbarzellen zu infizieren, erklärt Volc im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Einmal im Gehirn angekommen, greift es die dortigen Nervenzellen an und vernichtet diese nach und nach. Der durch die Zerstörung der Gehirnzellen auftretende Mangel an Dopamin ist der Grund für die Bewegungsstörungen bei Parkinson. Mit den verabreichten Präparaten wird dieses wieder zugeführt, wodurch sich einige Symptome mildern lassen. Würde es aber gelingen, die verklumpten Alpha-Synucleine rechtzeitig auszumisten, könnte möglicherweise ein Fortschreiten der Erkrankung verhindert werden.

Genau an diesem Punkt setzen Forscher bei der Entwicklung einer therapeutischen Impfung gegen Parkinson an. Zwei mögliche Kandidaten des Wiener Impfstoffherstellers Affiris wurden bereits einer Phase-I-Studie unterzogen. Durch die Impfung sollen sich Antikörper gegen das Protein bilden, um das eigene Immunsystem gegen die Verklumpungen zu aktivieren. Im Versuch mit Mäusen kamen nicht nur die Antikörper zustande, sondern gingen auch die Ablagerungen des Proteins in den Nervenzellen und damit auch deren Abbauprozesse zurück. Auch in der klinischen Phase I sind die ersten Daten vielversprechend. Bei zwei weiteren Studien desselben Herstellers liegen die Endergebnisse noch nicht vor, aber auch hier könnten sich Erfolge zeigen.

Darm und Nase als Pforte

Eine Impfung sollte den Experten zufolge zu einem möglichst frühen Zeitpunkt der Erkrankung verabreicht werden, nämlich dann, wenn sich erst wenige Alpha-Synucleine verklumpt haben. Das entspricht jedoch einem Stadium, in dem die Krankheit heute noch gar nicht erkannt wird. Üblicherweise ist Parkinson beim Eintreten erster Symptome schon jahrelang fortgeschritten. Deshalb wird nach Biomarkern gesucht, an denen man Risikopatienten bzw. sehr früh Erkrankte erkennt und damit ein Einlenken Erfolg bringen könnte.

Mögliche Biomarker könnten im Mikrobiom, also in der im Darm sitzenden Bakterienkultur, oder in der Riechschleimhaut zu finden sein, betont Volc. Bestimmte Veränderungen in diesem Mikrobiom gelten heute als Eintrittspforte für die Erkrankung, die sich vom Darm über den Nervus Vagus in den Hirnstamm ihren Weg bahnt. Biomarker könnten in Zukunft womöglich im Stuhl auffindbar sein.

Als zweite Eintrittspforte gilt nach aktuellstem Stand der Wissenschaft die Riechschleimhaut, über die diverse Gifte wie Reinigungsmittel, Schweißgase oder Spritzmittel die natürliche Blut-Hirn-Schranke überwinden und schließlich Schäden verursachen.

Von Morbus Parkinson sind weltweit nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation mindestens fünf Millionen Menschen betroffen. Auch in Österreich gibt es nur Schätzungen - zwischen 16.000 und 30.000 dürfte die Zahl liegen. Renate Lemanski, Obfrau der Parkinson Selbsthilfe Wien wünscht sich endlich konkrete Zahlen, "um nicht mehr nur als Masse, sondern als Individuum wahrgenommen zu werden".