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Therapie kann zur Spielsucht führen. | Erster Fall in Österreich. | Internationale Studien untermauern Zusammenhänge. | Wien. Illegale Drogen können zu einem enthemmteren Verhalten führen. Alkohol sowieso. Doch es sind auch in schulmedizinisch verschriebenen Blistern teilweise Stoffe am Wirken, die man dort nicht vermuten würde.
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Bei einer Gruppe von Parkinson-Medikamenten ist das der Fall. Abgesehen von ihrer stimmungsaufhellenden Wirkung kann die Einnahme der Medikamente zur regelrechten Spielsucht führen. Eine Sucht, die aufgrund der österreichischen Gesetzgebung mit einer Sperre des Spielers bei den Casinos beendet werden muss. Falls die Casinos nicht merken, dass ein Kunde gefährdet ist, werden sie diesem gegenüber schadenersatzpflichtig.
Schwierig im Falle der durch Tabletten ausgelösten Spielsucht: "Gerade wenn der Patient sein Medikament eingenommen hat, merkt man doch nicht, dass er unter Parkinson leidet", erklärt Dietmar Hoscher, Casinos-Austria-Vorstandsdirektor gegenüber der "Wiener Zeitung".
Doch ein Patient will es nun wissen - und klagt die Casinos Austria. Denn diese hätten aufgrund ihrer erhöhten Sorgfaltspflichten merken müssen, dass er eine Sucht entwickelt hat. Sein Vermögen habe er schließlich nicht aus freien Stücken aufs Spiel gesetzt, sondern er hatte sich nicht mehr unter Kontrolle - aufgrund einer pathologischen Sucht, die sein Medikament ausgelöst hat.
Noch nie ausgefochten
Wie die Gerichte reagieren werden, ist völlig unbekannt. "Das Thema ist relativ neu", erklärt Herbert Beck, Leiter der Abteilung Responsible Gaming bei den Casinos: "Bisher haben sich damit nur wissenschaftliche Publikationen auseinander gesetzt."
Die in der jüngsten Vergangenheit gemachten Studien scheinen jedenfalls den Verdacht zu bestätigen, dass der Wirkstoff der Medikamente zur Spielsucht führen kann (siehe Kasten). Klar ist bisher, dass die Medikamente zu einem allgemein enthemmten Verhalten führen. Laut Beck kann sich das durch rücksichtsloses Autofahren genauso manifestieren wie durch eine "enthemmte Sexualität oder eine pathologische Spielsucht." Der Kärntner Neurologe und Suchtexperte Herwig Scholz will aber nicht von einem "direkten Auslöser" von Spielsucht sprechen. "Es handelt sich um eine vermehrte Ausschüttung von Dopamin, also Glückshormonen. Da wird man grundsätzlich risikoreicher."
Haftung Pharma-Firmen
Falls dem Kläger allerdings der Nachweis gelingt, dass er aufgrund des Medikaments gespielt und verloren hat, geht das Verfahren in das nächste Stadium: Dann ist abzuklären, ob die Casinos seine Spielsucht hätten erkennen können. Falls ja, haften die Casinos.
In dem Fall "wäre allerdings auch die Frage der Mithaftung der Pharma-Konzerne zu diskutieren", meint Beck. Schließlich haben es diese auch bis vor kurzem unterlassen, vor der möglichen Enthemmung auf dem Beipack-Zettel zu warnen.
+++ Parkinson und Spielsucht
Erst Mitte April ist ein Bericht im "British Medical Journal" erschienen, dass sich Parkinson-Patienten überdurchschnittlich oft zu krankhaften Spielern entwickeln.
Besonders ausgeprägt sei dies bei Erkrankten, die sogenannte Dopaminagonisten gegen die Schüttellähmung einnehmen.
Bei einer anderen Studie in North Carolina haben von 18.000 Patienten immerhin neun eine pathologische Spielsucht entwickelt.
Alle neun Patienten waren zuvor keine Spieler. Sieben hatten die Spielsucht entwickelt, kurz nachdem die Dopamindosis erhöht worden war.