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Parlamentsgezwitscher

Von Katharina Schmidt

Politik

Die Nationalratspräsidenten beraten, wie mit der Kommunikationsfreiheit von Abgeordneten umzugehen ist.


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Wien. "Jetzt ist es so weit: ich bin gerade als jüngster Abgeordneter im österreichischen Parlament angelobt worden." Wenige Minuten nach seinem Gelöbnis postete der Grüne Jugendsprecher Julian Schmid - bekannt durch sein Markenzeichen, den Kapuzenpulli - ein "Selfie" aus dem Plenarsaal auf seiner Facebook-Seite. 819 Menschen "gefällt" das.

Nicht nur bei den ganz jungen Mandataren haben die neuen Medien Einzug gehalten, auch die älteren Semester haben sich damit angefreundet, ihre Klientel via Twitter, Facebook und Blog zu bedienen. Hartnäckig hält sich auch das weit ältere Phänomen, während der Sitzungen mit dem Handy zu telefonieren: Manche Abgeordnete beugen sich dazu unter den Tisch, andere telefonieren ganz offen - und lassen sich dabei auch noch fotografieren.

Der Nationalratspräsidentin ist der Trubel offenbar zu viel geworden: Sie hat beim Rechts- und Legislativdienst des Parlaments ein Gutachten in Auftrag gegeben, in dem es um die "Kommunikationsfreiheit von Abgeordneten" geht. "Twittern im Plenum ist legitim, twittern in Ausschüssen geht nicht, dazu müsste man das Gesetz ändern", sagte Barbara Prammer vergangene Woche in einem Pressegespräch. Ganz so streng haben das die Experten des Hauses allerdings nicht eingeschätzt:

Twittern lautLegislativdienst erlaubt

Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung nach Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention sei unabhängig von der "Verständigungsform und -Technologie", heißt es in dem Gutachten, das der "Wiener Zeitung" vorliegt. Und: Die Nutzung privater Internetdienste wie Facebook oder Twitter unterscheide sich aus rechtlicher Sicht nicht von der Nutzung herkömmlicher Medien. "Diese Nutzung fällt in den alleinigen Verantwortungsbereich der Abgeordneten. Der Präsident des Nationalrats beziehungsweise die Parlamentsdirektion hat darauf keine Einflussmöglichkeiten", so die Experten.

Die einzige Einschränkung: Das Telefonieren während Sitzungen ist in der Hausordnung des Parlaments verboten, der jeweils vorsitzende Nationalratspräsident oder auch ein Ausschussvorsitzender können den Abgeordneten einen Ordnungsruf erteilen, wenn sie dadurch die Sitzung stören. Ebenso verhält es sich mit Fotos oder Meldungen im Internet (also auch herkömmlichen Parteiaussendungen), die den Sitzungslauf stören: Den jeweiligen Abgeordneten kann ein (im Grunde ja zahnloser) Ordnungsruf erteilt werden oder die Sitzung kann, wenn sie denn ganz aus dem Ruder läuft, unterbrochen werden.

Was die Ausschüsse betrifft, so ist laut dem Gutachten klar, dass aus vertraulichen Unterausschüssen (etwa dem Staatspolizei-Ausschuss) nicht getwittert werden darf - die Verbreitung der dort debattierten Themen ist sogar strafrechtlich sanktioniert. Einen Grenzfall stellen die normalen parlamentarischen Ausschüsse dar: Sie sind zwar nicht vertraulich, aber auch nicht öffentlich. Die Parlamentskorrespondenz berichtet regelmäßig über die Geschehnisse in den Ausschüssen - allerdings erst im Nachhinein.

Dürfen die Abgeordneten also Live-Berichte twittern, bloggen oder facebooken? Während dazu in dem Gutachten nichts steht, meint Prammer, dass das nicht möglich ist. Ebenso skeptisch ist Werner Zögernitz, Ex-ÖVP-Klubdirektor und Leiter des Instituts für Parlamentarismus und Demokratiefragen: Er sagt, dass zwar aus den Ausschüssen getwittert werden darf, aber nicht wörtlich, und auch keine Zwischenrufe wiedergeben werden dürfen. Dann hätte der Abgeordnetenbericht aufgrund der Unmittelbarkeit die Öffentlichkeit hergestellt - und das ist laut Zögernitz eben nicht erlaubt.

"Das ist die ÖVP-Position und sicher nicht die Rechtslage", meint dazu Dieter Brosz, der für die Grünen im Geschäftsordnungskomitee sitzt. Natürlich seien auch direkte Zitate erlaubt, weil ja auch jeder das Recht habe, Aussendungen direkt aus dem Ausschuss zu tätigen.

Ausschüsse inZukunft öffentlich?

Aus dem Büro des Zweiten Nationalratspräsidenten Karlheinz Kopf (ÖVP) heißt es dazu, die drei Präsidenten würden gerade gemeinsam an einer Lösung arbeiten. Das bestätigt auch der Dritte Nationalratspräsident, Norbert Hofer: "Ich bin froh, dass hier jetzt eine hieb- und stichfeste Regelung erarbeitet wird, damit die Abgeordneten wissen, was sie tun dürfen und was nicht." Wie Brosz und Prammer spricht sich auch Hofer dafür aus, dass Ausschüsse, die nicht der Geheimhaltung unterliegen (also fast alle), in Zukunft öffentlich gemacht werden. Dann stelle sich auch die Frage nach der Kommunikation über neue Medien nicht mehr. Im Plenum stößt sich Hofer zwar daran, wenn Abgeordnete während der Sitzung "Selfies" schießen -"aber ich finde es auch nicht gut, wenn sie Zeitung lesen oder in ihr iPad starren", sagt er. Ordnungsrufe erteilt er dafür aber keine - zumindest nicht beim ersten Mal.

Datenschutzgesetzgilt für Anfragen nicht

Ein anderer Punkt, dem sich der Legislativdienst in seinem Gutachten gewidmet hat, ist die Frage des Datenschutzes in parlamentarischen Anfragen. Laut Prammer gab es in der vergangenen Legislaturperiode 60 Beschwerden von Menschen, deren Namen in parlamentarischen Anfragen aufgetaucht sind und auf der Website des Parlaments veröffentlicht wurden. Grundsätzlich müssen parlamentarische Anfragen in Zusammenhang mit der Vollziehung eines Ministeriums stehen. Wenn dort nun Namen von Personen, die nicht öffentlichen Interesses sind, auftauchen, bleibt das meist ohne Konsequenzen. Denn die Anfrage selbst ist von der sachlichen und der beruflichen Immunität der Abgeordneten geschützt - strafrechtlich wie auch zivilrechtlich bleibt sie für die betreffende Person ohne Konsequenzen. Das Datenschutzgesetz greift hier also de facto nicht.

Gleichzeitig gibt es keine gesetzliche Pflicht, parlamentarische Anfragen auf der Website zu veröffentlichen. Für Zögernitz wären daher Anonymisierungen ebenso denkbar, wie Anfragen unter bestimmten Voraussetzungen gar nicht zu veröffentlichen. Letzteres ist für Brosz nur dann machbar, wenn das Anfragerecht missbraucht wurde, es also nicht um den Vollzug eines Ministeriums geht. "Es spricht aber nichts dagegen, dass Namen von Personen nicht-öffentlichen Interesses anonymisiert werden", sagt der Grüne. Das ist schon jetzt gängige Praxis, allerdings ist dazu eine Beschwerde des Betroffenen nötig. Wenn Prammer nun eine gesetzliche Grundlage brauche, sei das in Ordnung, so Brosz.

Auch für Hofer müssen die Anfragen unbedingt online gestellt werden. Er meint aber, dass Anonymisierungen nur dann möglich sein sollen, wenn der erwähnten Person strafrechtlich relevantes Verhalten vorgeworfen wird.

In Streitfällen soll, geht es nach Prammer, ein Datenschutzrat im Parlament entscheiden. Das hält Hofer für sinnvoll, auch Brosz kann damit leben, wenn er es als "Nebengleis" sieht. Wenn es so weit ist, twittern wir das.