Schlussstrich unter eine denkbar schmutzige Wahlkampagne.| Ficos Linkspartei Smer dürfte absolute Mehrheit verfehlen.
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Bratislava. Als Einzige aus der Riege der slowakischen Spitzenpolitiker weiß Ministerpräsidentin Iveta Radicova schon seit Monaten, wie es für sie nach den Neuwahlen an diesem Samstag weitergeht. Sie will sich wieder als Soziologin betätigen. Damit legt sie gleich nach Schließung der Wahllokale los, indem sie den Ausgang des Urnengangs im Fernsehen kommentiert.
Für Radicovas politische Gegner war die Ankündigung des Fernsehauftritts ein willkommener Anlass, noch einmal verbal auf die Wirtschaftsliberale einzudreschen, deren Regierung am 13. Oktober über ein Misstrauensvotum zu den Finanzhilfen für Griechenland stürzte. Für die Wähler war es nicht mehr als ein Kuriosum im härtesten Wahlkampf, den die Slowakei in den 19 Jahren ihres Bestehens erlebt hat.
Was er inhaltlich von einer neuen Regierung erwarten kann, weiß wohl kaum ein Slowake zu sagen. In der Kampagne rückte beispielsweise vollkommen in den Hintergrund, dass sich außer Richard Sulik, dem Vorsitzenden der neoliberalen Freiheit und Solidarität (SAS), niemand mehr für einen einheitlichen Steuersatz ausspricht. Damit hatte sich die Slowakei einst einen Namen als Paradies für Investoren gemacht.
Vielmehr drehte sich im Wahlkampf alles um die Akte "Gorilla". Darin dokumentierte der Slowakische Informationsdienst in den Jahren 2005 und 2006 zahllose Treffen zwischen führenden Politikern und Managern, bei denen es unter anderem um die Finanzierung von Parteien ging. Keiner der Politiker, die schon seit Jahren im Geschäft sind, kann für sich in Anspruch nehmen, er habe mit der Sache nichts zu tun. Damit werden für die Wähler Neugründungen wie "Ganz normale Menschen und unabhängige Persönlichkeiten" (OL) mit Igor Matovic an der Spitze oder "99 Prozent - Stimme des Bürgers" (99%) unter der Ägide von Alena Dusatkova attraktiv, die mit unverbrauchten Gesichtern für sich werben.
Das bestätigt auch die jüngste Umfrage der Agentur MVK. Bisher gehören dem Nationalrat sechs Parteien an. MVK zufolge kratzen immerhin sieben Parteien an der Fünf-Prozent-Hürde. Unter ihnen haben drei Parteien der bisher regierenden Mitte-Rechts-Koalition nur knapp die Nase vorn, nämlich die vor allem für die Verständigung zwischen Slowaken und Ungarn werbende Most-Hid (7 Prozent), die wirtschaftsliberale SDKU-DS (6 Prozent) und die SAS (6 Prozent). Die nationalistische Partei der ungarischen Koalition liegt gleichauf mit den OL-NO (beide 5,5 Prozent). Es folgen die Slowakische Nationalpartei (4,7 Prozent) und 99% (4 Prozent). Indirekt zeichnet sich damit auch ab, dass der Anteil der Nichtwähler sinkt. MVK zufolge werden bei diesem Urnengang rund 25 Prozent der Wahlberechtigten keinen Gebrauch von ihrem Stimmrecht machen, 2010 war es deutlich mehr als ein Drittel.
Mit Abstand weit vorn liegt die sozialdemokratische Smer-SD von Radicovas Amtsvorgänger Robert Fico. Er wird nicht müde zu betonen, dass er sich einen Koalitionspartner suchen werde, selbst wenn er eine absolute Mehrheit holen sollte. Der Agentur MVK zufolge braucht Fico in jedem Fall die Unterstützung einer anderen Partei. Denn Smer-SD kommt laut Umfragen auf 40 Prozent und 73 von insgesamt 150 Sitzen im Nationalrat, womit sie die absolute Mehrheit um zwei Sitze verfehlen würde. Als Ficos Wunschpartner gilt die kirchennahe KDH. Ihr werden 12 Prozent prognostiziert, was 22 Sitzen entspricht.