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Das Elend des gesprochenen Worts ist altbekannt. Bitter ist, dass der Politik auch sonst das Gefühl für Kommunikation fehlt.
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Für g’scheite Kinder statt g’stopfte Politiker: Mit diesem Kampfruf versuchen die Neos nun im anlaufenden Wiener Wahlkampf, das Ruder ihres politischen Projekts herumzureißen.
Die Partei startete vor knapp zwei Jahren als bürgerliche Erneuerungsbewegung und ist jetzt mittlerweile im politischen Überlebenskampf angekommen. Der ist bekanntlich ziemlich brutal und lässt beim Fettgedruckten wenig Spielraum für argumentative Differenzierung. Politisch Anderssein muss man sich als Partei schließlich auch erst stimmentechnisch leisten können. Das trifft für die Neos momentan eher nicht zu - nicht im Bund und schon gar nicht in den Ländern.
Dabei legen die Pinken ihre Finger mitunter durchaus in die schmerzhaften Wunden des politischen Körpers dieser Republik. Österreich leistet sich eine politische Form und gönnt sich die entsprechenden Mittel, welche die Parteien nur höchst unvollkommen mit konkreten Inhalten zu füllen vermögen. Von dieser Beobachtung ist es nur ein kleiner Schritt zur Forderung, diesen Körper einer Schrumpfkur zu unterziehen. Gemeinden zusammenlegen, Landtage verkleinern, Bundesrat abschaffen oder durch Landtagsabgeordnete direkt beschicken, etc.; und Wien gibt da mit seinen 1112 Bezirksräten in den 23 Bezirksvertretungen und 100 Abgeordneten im Landtag, der zugleich Gemeinderat ist, eine vortreffliche Zielscheibe für Kritik dieser Art ab.
Da kann man wenig dagegen einwenden. Der aufgeblähte politische Apparat ist mitunter tatsächlich in Teilbereichen zu einem zweiten Standbein der öffentlichen Parteienfinanzierung herabgesunken.
Die Mängel im System zu thematisieren, ohne das größere Ganze zu beschädigen, ist dabei die Herausforderung.
Das Problem - etwa aus übergeordneter Verpflichtung dem abstrakten Konzept gegenüber - totzuschweigen, ist auch keine Lösung. Irgendwer wird das Offensichtliche immer thematisieren.
Den Parteien fehlt schlicht die Sprache.
Die eine Hälfte konzentriert sich darauf, möglichst wortreich möglichst wenig und am besten überhaupt nichts Konkretes, zu sagen. Und die andere Hälfte scheitert regelmäßig daran, ihre in der Regel berechtigte Kritik an bestehenden Missständen in Formulierungen zu verpacken, die bei Bürgern wie politischen Mitbewerbern nicht bloß verbrannte Erde hinterlassen. Die FPÖ hat es darin zweifellos zu einer hierzulande unerreichten Meisterschaft gebracht. Aber auch den übrigen Parteien fehlt in kritischen Momenten das sprachliche Gespür. Nun fügen sich auch die Neos mit ihrem markigen Spruch von den "g’scheiten Kindern statt g’stopften Politikern" erstaunlich nahtlos in diese traurige österreichische Tradition. Was nämlich von diesem hängen bleiben wird, ist nicht die bildungspolitische Forderung der jüngsten Parlamentsfraktion nach besseren Bildungschancen für unseren Nachwuchs, sondern das anschauliche Bild von auf Kosten der Allgemeinheit ausg’fressener Volksvertreter.
Das ist natürlich auch eine ziemlich eindeutige Botschaft, aber eventuell nicht die ursprünglich beabsichtigte. Aber vielleicht ja auch doch. Politische Not macht bekanntlich nicht wählerisch.