Zum Hauptinhalt springen

"Parteipolitik muss aus der Schule"

Von Brigitte Pechar

Politik
Heidi Schrodt
© privat

Einzelförderung der Kinder nur durch Autonomie machbar. | Schrodt befürchtet durch Verländerung mehr Parteipolitik. | Wien. Nationalratspräsidentin Barbara Prammer überreichte am Montag den Demokratiepreis der Margaretha Lupac-Stiftung, die im Parlament verankert ist, an Gitta Martl, Generalsekretärin des Vereins Ketani, Direktorin Heidi Schrodt und ihr Gymnasium Rahlgasse in Wien und den Verein "Frauen aus allen Ländern" aus Innsbruck.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Lupac wurde vor 100 Jahren geboren, die überzeugte Demokratin vermachte 1999 mit ihrem Tod ein Vermögen von 1,4 Millionen Euro dem Hohen Haus. Aus der Stiftung, die schon auf 1,7 Millionen Euro angewachsen ist, werden seit 2004 Preise, abwechselnd für Wissenschaft und Demokratie, vergeben.

"Wiener Zeitung": *Frau Direktorin Schrodt, die Lehrer ihrer Schule haben Sie für den Preis vorgeschlagen, weil Sie einen Gender-Schwerpunkt und Sozialkompetenz - etwa haben Sie Streithelferinnen eingeführt - verankert haben. Wie wichtig ist das für die Ausbildung der Schüler?

Heidi Schrodt: Genderschwerpunkt habe ich 1992 als Frauenschwerpunkt eingeführt, gleich als ich die Schule übernommen habe. Mir ist das ein ganz großes Anliegen, dass Geschlechterfragen in der Schule einen zentralen Platz haben. Ein weiterer Schwerpunkt unserer Schule ist Sozialkompetenz und die dritte Säule ist Umwelt. Das lässt sich alles unter dem Aspekt Nachhaltigkeit zusammenfassen. Das heißt, wie gehen wir mit den Ressourcen um, wie gehen wir miteinander um, wie gehen wir als Männer und Frauen miteinander um.

Merkt man Ergebnisse? Immerhin hat eine Schülergeneration jetzt diese Angebote durchlaufen.

Ja, wir merken bei den Maturanten eine hohe Selbstkompetenz. Wir merken auch eine Änderung bei der Schulzweigwahl. Wir haben die Lernwerkstatt geschaffen, um mehr Mädchen ins Realgymnasium zu bringen. Dort wird seit einigen Jahren in geschletshomogenen Gruppen unterrichtet. Das hat sich gut bewährt. Jetzt wählen gleich viele Mädchen wie Burschen das Realgymnasium, ursprünglich war es ein geringer Anteil.

Wenn all diese Dinge möglich sind, wozu braucht es dann noch Schulautonomie? Schrodt: Eine Schulleitung, die durchsetzungskräftig ist und die Lehrer hinter sich hat, kann jetzt schon sehr viel gestalten. Allerdings unter sehr großem persönlichen Verschleiß. Wir haben eine derartig flache Leitungsstruktur, dass Qualitätskontrolle kaum möglich ist. Aber, was wirklich wichtig ist, Einzelförderung der Schüler, können Sie nicht machen, wenn alles zentral geregelt ist, wenn Sie ersticken in einem Wust von Bürokratie. Zuallererst müssen die Direktoren ihre Lehrer aussuchen können. Aber ich habe schon gehört, dass Landeshauptmann Josef Pühringer das nicht will. Autonome Schule heißt, dass die Verantwortung am Schulstandort liegt, mit allen Konsequenzen. Ausreden auf den Stadtschulrat oder das Ministerium gibt es dann nicht mehr.

Die These ist, dass mit Einführung der Schulautonomie die Parteipolitik ein Ende hat. Schrodt: Ja, das ist so. Und das ist der Grund, warum die Schulautonomie so rasch wie möglich eingeführt werden sollte. Parteipolitik muss raus aus der Schule.

Was sind die Befürchtungen einer Verländerung der Lehrer?

Die Befürchtung ist ganz konkret, dass dann der parteipolitische Zugriff noch intensiver wird. Es wird unübersichtlicher und das Wichtigste, die Autonomie, ist dann je nach Bundesland enger oder weiter gefasst.

Bildungsdirektionen sollen sowohl im Regierungsmodell als auch im ÖVP-Modell Landes- und Bezirksschulräte ersetzen.

Die Bildungsdirektionen sind ja auch nach dem Regierungsmodell in den Ländern angesiedelt, allerdings als Bundesbehörde. Mittelfristig müsste man sogar davon wegkommen, dass Bildungsdirektionen identisch sind mit einem Bundesland. Sondern, die Regionen sollten sich definieren aus den Notwendigkeiten. In Schweden oder Finnland sind Bildungsdirektionen sehr viel kleiner und sie stehen in sehr engem Kontakt mit den Schulen. Das wäre das Ziel.

Was hat man von einer autonomen Schule? Was verbessert sich für die Kinder?

Ein Direktor bekommt ein Globalbudget, es gibt starke zentrale Lehrpläne und zentrale Überprüfung, die Schulen müssen über das Budget Rechenschaft ablegen. Autonome Schulen bekommen auch nicht ein Budget nach Kopfzahlen, sondern nach den Erfordernissen der Schule. Idealerweise könnte man, wenn ein Kind das Jahresziel nicht erreicht, einen bedarfsorientierten Lehrplan erstellen. Das kann bis zum Einzelunterricht gehen. Das funktioniert zum Beispiel in Finnland.

Was ist eine ideale Schule?

Eine Schule, in die Lehrer und Schüler jeden Tag gerne hineingehen; in der der Wissenserwerb lustvoll passiert.

Wie schaut der Lehrer der Zukunft aus?

Der Lehrer der Zukunft ist zunehmend ein Lernbegleiter. Je mehr die zentralen Überprüfungen an Stellenwert gewinnen, desto wichtiger wird die Coach-Funktion: Mit den Schülern möglichst viele der zentralen Lernziele erreichen.

Zur Person

Heidi Schrodt ist seit 1992 Direktorin der AHS Rahlgasse in Wien Mariahilf. Sie ist seit vielen Jahren frauenpolitisch engagiert und erhielt 2005 den Wiener Frauenpreis. Vor drei Jahren gründete sie das Netzwerk "BildungGrenzenlos". Schrodt stiftet einen Großteil des Preisgeldes für einen Sozialfonds an der Schule.