Rund 100 Mitglieder von Macrons Partei erklärten aus Protest gegen dessen autoritären Führungsstil ihren Austritt.
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Paris. Die Räume sind hell und mit Glaswänden abgetrennt - ein Design, das den Eindruck von Transparenz und Offenheit vermittelt. Der Altersdurchschnitt der Frauen und Männer, die an Konferenztischen und vor Computern sitzen, dürfte bei etwa 30 Jahren liegen. Jung, modern, dynamisch - so wirkt die Zentrale von "La République en marche" (LREM), der Partei des französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Seit kurzem befindet sie sich im Herzen von Paris, nachdem die früheren Räumlichkeiten im abgelegenen 15. Arrondissement der Stadt zu klein geworden waren.
Die neue Zentrale vermittelt das Image eines "politischen Start-ups", als das die Vorgänger-Bewegung "En marche!" ("In Bewegung!") oft bezeichnet wurde: Man arbeitet mit modernsten Kommunikationsmitteln und wächst dank großzügiger Investoren rasant. Mit seiner Bewegung hat es Gründer Macron in nur einem Jahr vom Außenseiter-Kandidaten zum Präsidenten geschafft. Nach seiner Wahl benannte sie sich um in "La République en marche" (LREM) und gab sich die Statuten einer Partei, zumal sie bei den Parlamentswahlen im Juni die absolute Mehrheit in der Nationalversammlung errang.
Prozedere zur Wahl des Parteichefs sorgt für Unmut
In Lyon steht an diesem Samstag der Parteitag an, auf dem auch der Vorsitzende gewählt werden soll. Doch wenige Tage vorher ließen nun rund 100 Mitglieder, darunter einige Parlamentarier, eine mediale Bombe platzen. In einem bissig formulierten offenen Brief erklärten die Parteikollegen ihren Austritt. Hauptgrund ist die schon im Voraus als fix geltende Wahl von Christophe Castaner an die Spitze der Partei.
Der Vertraute des Präsidenten, Sprecher der Regierung und Minister für die Beziehungen zum Parlament, tritt als einziger Kandidat an. Eine Wahl unter Beteiligung aller 380.000 Mitglieder ist nicht vorgesehen; stattdessen stimmt eine Versammlung aus Abgeordneten, Ministern, Parteifunktionären und 200 ausgelosten Mitgliedern ab.
Dass es Macron persönlich war, der Castaner zum Parteichef auserkoren hat, ist kein Geheimnis. Damit bewahrt er sich bedeutsamen Einfluss auf LREM. Macron selbst hat als Wirtschaftsminister unter François Hollande miterlebt, wie einige "Rebellen" aus dessen sozialistischer Partei im Parlament Reformvorhaben systematisch blockierten. LREM blieb hingegen bisher ganz auf Präsidentenlinie.
Die Verfasser des Schreibens monierten öffentlichkeitswirksam Castaners anstehende "Salbung": "Indem die Partei ein undurchsichtiges und willkürliches Auslose-System organisiert, indem sie ein Votum per Handzeichen auferlegt, während eine Geheimwahl gefordert wird, verletzt LREM die grundsätzlichen Prinzipien der Demokratie durch eine Vorgehensweise, die dem Ancien Régime würdig wäre."
Ursprünglich sei eine horizontale und von unten nach oben aufsteigende Bewegung versprochen worden, klagt Michel Coste, einer der Unterzeichner: "Was wir jetzt haben, ist eine vertikale und von oben nach unten funktionierende Partei."
Schon Kritik gegen Statuten
Nicht zum ersten Mal kommt interne Kritik bei LREM auf. Bereits im Juli hatte eine Gruppe Einspruch gegen die geplanten Statuten erhoben, die in Rekordzeit abgesegnet werden sollten. Ihnen fehlten Debattenkultur und eine echte Vertretung der Basis, wie mehrere Parteianhänger anmerkten. Letztlich gab es eine Verlängerung um zwei Wochen, dann aber stimmte eine große Mehrheit der Mitglieder für das neue Regelwerk.
Viele von ihnen haben kaum politische Erfahrung, weil LREM eben mit dem Versprechen der personellen Erneuerung angetreten war. Andere sind hingegen von anderen Parteien übergewechselt, insbesondere den Sozialisten, den Grünen, aber auch den konservativen Republikanern.
Die politische Landschaft Frankreichs hat Macron mit seinem Alternativ-Angebot erschüttert. Die beiden großen Volksparteien wurden durch ihr enttäuschendes Abschneiden bei den Wahlen im Frühjahr massiv geschwächt. Noch immer suchen sie ihre Rolle in der Opposition zwischen konstruktiver Mitarbeit und Widerstand gegen die Reformprojekte der Regierung. Macron selbst verortet seine Partei in der politischen Mitte, weder links noch rechts, sondern nach eigenen Worten "sowohl als auch", um den alten Grabenkämpfen ein Ende zu setzen.
Nur 35 Prozent der Franzosen sind mit Macron zufrieden
Die aktuellen Unruhen zeigen nun aber, dass er eben nicht nur auf Fans setzen kann, die ihn bedingungslos unterstützen; wie in jeder Partei wachsen die Kontroversen und Spiele um die Macht. Er finde die Debatten gesund, erklärte etwa der Abgeordnete Florian Bachelier: "Es ist ein Kommen, ein Gehen, es atmet... Auch eine solche Bewegung ist Demokratie."
Allerdings drohen die Turbulenzen Macron zu schaden, der seit seiner Wahl deutlich an Beliebtheit verloren hat. Vor allem die Linken kritisieren seine Arbeitsmarktreform als "neoliberale" Aushöhlung sozialer Rechte; die Reform der Reichensteuer wiederum brachte ihm den Vorwurf ein, er begünstige die Bessergestellten der Gesellschaft. Nur noch 35 Prozent der Franzosen zeigen sich zufrieden mit dem 39-Jährigen. Am meisten überzeugt er die Franzosen noch mit seinem Auftreten auf der internationalen Bühne, während nur 26 Prozent der Befragten sagen, Macron könne die Franzosen einen. Dass nun Risse in seiner eigenen Partei sichtbar werden, dürfte dies nicht besser machen.