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Es ist nur ein Parteitag, nur ein Parteitag, nur ein Parteitag. Das musste man sich bei den Reden der beiden Kandidaten immer wieder vorsagen. Es galt ja, die Mehrheit der Delegierten zu überzeugen. Schwer genug. Hans Peter Doskozil versuchte es mit der Bewerbung seines Modells Burgenland und dem Eingeständnis, dass die Partei in der Vergangenheit Irrwege beschritten hatte. Andreas Babler adressierte linke Werte, die der Parteijugend näher sind als altgedienten Delegierten, die ihre revolutionären Gefühle schon vor Jahrzehnten gegen eine pragmatische Weltsicht eintauschten. Es war eine Kampfrede.
Dass soziale Themen bei beiden im Fokus stehen werden, war erwartbar. Dass aber der Klimawandel fast nur am Rande Erwähnung fand, Außen- und Europapolitik und größere geopolitische Zusammenhänge überhaupt eine Leerstelle blieben, machte die SPÖ an diesem Tag fast klein. Es handelt sich immerhin um eine Partei, die seit 1970 zumeist den Kanzler stellte und deren aktuelles Leiden vor allem aus dem Umstand herrührt, ihn seit 2017 nicht mehr zu stellen. Insofern ist es bemerkenswert, wie weit weg beide Reden von einer Kanzlerrede waren, von einer Vision, die über das Erringen der Mehrheit in der Linzer Halle hinausreicht.
Der große Gewinner, Hans Peter Doskozil, wird die kommenden Wochen vor allem mit Aufräumarbeiten beschäftigt sein. Das knappe Resultat wird es nicht einfacher machen. Die Demontage der gewählten Parteichefin hat in der SPÖ doch einiges kaputt gemacht und speziell das große Erbe der Urväter der Sozialdemokratie ruiniert: die große Einigkeit. Und dann kam da unterwegs noch ein dritter Kandidat, der ungemein mobilisierte und neue Hoffnungen bei rund einem Drittel der Mitglieder weckte. Die Anhänger Bablers, die der KPÖ aus Graz oder Salzburg inhaltlich wohl näherstehen als dem Pragmatismus des roten Establishments, wird Doskozil aber auch benötigen, um im kommenden Jahr Platz eins bei der Nationalratswahl zu erreichen.
Doch er wird sich auch insgesamt neu erfinden müssen. Der stete Verweis auf sein Wirken im Burgenland kann künftig nur eine Randnote sein, um etwa zu illustrieren, dass er im Kleinen konkrete Probleme lösen kann. In der Bundespolitik ist die Themenlage eine andere, sind die Probleme in der Regel komplexer, größer und mehrdimensional, weil etwa die europäische Ebene auch eine Rolle spielt. Doskozil wird für diese Neuerfindung ein Jahr Zeit haben. Das heißt, eine Wahl gewinnen kann er auch als reine Projektionsfläche. Soll ja schon vorgekommen sein. Einen Kanzler hat man in Linz aber jedenfalls noch nicht gesehen. Übrigens auch nicht, wenn die Delegierten anders entschieden hätten.