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Beim Gipfeltreffen mit ihren östlichen Nachbarn geizen EU-Politiker mit Zusagen.
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Riga. Ab und zu Sirenengeheul samt Blaulicht, ansonsten ungewohnte Stille: Die vierspurige Fahrbahn auf der Brücke über die Daugava blieb gestern, Donnerstag, vom üblichen Tosen des Verkehrs verschont. Stattdessen brausten nur von Zeit zu Zeit schwarze Limousinen mit Polizeieskorten über das Pflaster. Ein Teil der Altstadt von Riga sowie das Gebiet rund um die gegenüberliegende Nationalbibliothek waren abgeriegelt; Privatautos waren dort nicht erwünscht. Es galt Platz zu machen für die Ankunft von mehr als zwei Dutzend Staats- und Regierungschefs, die sich in der lettischen Hauptstadt zum Gipfeltreffen mit ihren Amtskollegen aus sechs Partnerstaaten versammelten.
Eine derartige Zusammenkunft mit Politikern aus Armenien, Aserbaidschan, Moldawien, Georgien, der Ukraine und Weißrussland hat es vor gut eineinhalb Jahren in Litauen gegeben. Und in der Zwischenzeit ist der Konflikt um die Ukraine ausgebrochen, ist die Halbinsel Krim annektiert worden und hat die EU Sanktionen gegen Russland verhängt. Die Europäer kamen nicht umhin einzuräumen, dass sie ihr Programm der östlichen Partnerschaft völlig überarbeiten müssen.
Gleichzeitig versuchen sie, das Verhältnis zu Russland nicht noch weiter zu verschlechtern. Daher wollten führende Politiker die Erwartungen an den zweitägigen Gipfel gering halten. Mit einer Beitrittsperspektive können die daran interessierten Staaten Ukraine, Georgien und Moldawien derzeit nicht rechnen, betonte der für Nachbarschaftspolitik und Erweiterungsverhandlungen zuständige EU-Kommissar, Johannes Hahn, schon vor Tagen. Die nächste Visaliberalisierung werde es auch nicht so schnell geben. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel dämpfte ebenfalls die Hoffnungen der Regierungen in Kiew und Tiflis. Die Nachbarschaftspolitik sei kein Instrument der Erweiterung, befand sie bereits vor dem Treffen in Riga.
Diese Haltung sorgt für Unmut nicht nur in den Partnerstaaten. Auch aus - westlichen - Wirtschaftskreisen kommt Kritik. So liegt für den Geschäftsführer des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, Rainer Lindner, die Schwäche der Nachbarschaftspolitik gerade darin, dass diese keine Beitrittsperspektive bietet. Das Programm sollte aber auf verstärkte Integration ausgerichtet sein - und nicht darauf, die Länder auf Distanz zu halten, erklärte Lindner beim Business-Forum der östlichen Partnerschaft, das in Riga Vertreter von Unternehmen und Politik zusammenbrachte. Er verwies auf osteuropäische Staaten, die mittlerweile EU-Mitglieder sind: Diesen habe die konkrete Aussicht auf die Aufnahme in die Union einen enormen Auftrieb gegeben.
Die Kommission hingegen pocht lieber darauf, dass zunächst einmal etliche Reformen umzusetzen seien. Allerdings bietet sie dafür auch ihre Hilfe an. Nicht zuletzt finanzielle. So verkündete Hahn, dass die EU in den nächsten zehn Jahren Darlehen in Höhe von 200 Millionen Euro bereitstellen möchte. Damit sollen vor allem kleine und mittlere Betriebe in Georgien, Moldawien und der Ukraine gefördert werden, damit sie ebenfalls von den Freihandelsabkommen mit der Union profitieren können. Die Subventionen sollen später zehn Mal so viel Wert sein, wie die Brüsseler Behörde hofft: Das Volumen der so ermöglichten Kredite soll zwei Milliarden Euro ausmachen, die in Investitionen fließen.
Gemeinsamer Handel
Mit Darlehen ist auch die Europäische Investitionsbank (EIB) in der Region präsent: Die Kredite für die östliche Partnerschaft erreichten im Vorjahr ein Volumen von knapp viereinhalb Milliarden Euro. Zudem kommen Georgien, Moldawien und der Ukraine die Verträge zum freien Handel mit der EU zugute. Der Warenaustausch mit der Gemeinschaft verzeichnet seit dem Vorjahr Zuwachsraten: In Georgien sind es 20 Prozent, in Moldawien 18 Prozent. Die Ukraine muss auf die vollständige Umsetzung des Abkommens bis Anfang des nächsten Jahres warten: Teile des Pakts wurden auf 2016 verschoben.
Eine der wichtigsten Handelspartnerinnen ist die EU für die Region schon seit längerer Zeit. Ihre Bedeutung ist auch größer als jene Russlands, was die Export- und Importzahlen zeigen. Eine Ausnahme bildet lediglich Weißrussland, dessen Handelsvolumen mit Russland größer ist.
Daher ist selbst Armenien an einer engeren Kooperation mit den Europäern interessiert, obwohl es der eurasischen Wirtschaftsunion unter Führung Russlands beigetreten ist. Das schließe ein Handelsabkommen mit der EU aus, hieß es noch vor zwei Jahren kategorisch. Doch mittlerweile sucht die Kommission nach Möglichkeiten der Vereinbarkeit. Eine Machbarkeitsstudie ist durchgeführt, und in den kommenden Wochen wird die Behörde einen Vorschlag für die künftige Zusammenarbeit präsentieren. Das Verhandlungsmandat müssen ihr die Mitgliedstaaten erst erteilen.