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Second hand-Beziehungen sind zwangsläufig zu einem Trend geworden. Sind diese neuen Verbindungen mit "gebrauchten Partnern" einfacher oder komplizierter, belasteter oder lustiger? Anders gefragt: Haben die Second Hand-Gefährten mehr Vor- oder mehr Nachteile? Die Antworten darauf sind so komplex wie wir Erdenbürger selbst.
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Romeo und Julia hatten es nicht leicht, bekanntlich waren ihre Eltern verfeindet. Heutige Paare haben andere Probleme: sich selbst. Denn der moderne Mensch steckt im Dilemma: Er sehnt sich nach der perfekten Beziehung, er träumt von der eigenen Familie, er stellt hohe Ansprüche an sich selbst und an den Partner. Ist das so schlimm? Oh doch! Denn er kann diesem Ideal nicht gerecht werden und muss dann Hilfe suchen.
Berge an Ratgeber-Literatur in den Buchhandlungen warten darauf, abgebaut zu werden. Der weiblichen Erkenntnis, "Man gewöhnt sich an alles, nur nicht an einen Mann" stehen "101 Gründe, ohne Frau zu leben" gegenüber. Technikaffine Frauen finden eine "Reparaturanleitung für das Modell Mann", minderbemittelte Männer eine für "Frauen. Eine Bedienungsanleitung, die selbst Männer verstehen". Und irgendwann, wenn man all den geballten Aberwitz hinter sich hat, bleibt die unvermeidliche Frage "Ist unsere Liebe noch zu retten?" Ja, ist sie das?
Sind wirklich so viele Menschen beratungsresistent, emotionsgestört und entwicklungsgehemmt? Sind sie von Natur aus so, sind es äußere Umstände oder hat sie die Erziehung zu solchen Kotzbrocken gemacht? "Es gibt", stellte der berühmte Psychoanalytiker und Sozialpsychologe Erich Fromm bereits Anfang der sechziger Jahre fest, "kaum eine Aktivität, kaum ein Unternehmen, das mit derartig ungeheuren Hoffnungen und Erwartungen begonnen wird und mit derart großer Regelmäßigkeit fehlschlägt." Weniger ernsthaft hat das einmal jemand folgendermaßen ausgedrückt: "Natürlich ist die Liebe für ewig, nur die Partner wechseln." Stimmt oft.
Trennungen und Scheidungen gehören heute fast überall auf der Welt zum Alltag und führen über kurz oder lang zu neuen Partnerschaften. Inzwischen sind Lebens- und Beziehungsformen entstanden, die alles verändert und zu neuen Herausforderungen geführt haben. "Second Hand", also ein "gebrauchter Partner", eine "gebrauchte Partnerin", ist in Zeiten von Lebensmenschen, Lebensabschnittspartnern, Lebensgefährtinnen und hohen Scheidungsraten zwangsläufig zum Trend geworden.
Für die Getrennten nicht unbedingt ein Grund, danach die Finger von Beziehungen zu lassen. Im Gegenteil. Schätzungen zufolge heiraten zwei Drittel der Geschiedenen wieder. Unerschrocken, könnte man sagen.
Vielleicht aber auch nicht
Durchaus möglich, dass die bereits gemachten Erfahrungen hilfreich sind. Andererseits können Altlasten für Zoff sorgen; können Vorbehalte und Ängste neue Bindungen erschweren. Oder ist es genau umgekehrt und sie verhelfen zu mehr Harmonie? Ist nun eigentlich die Beziehung mit einem Second Hand-Partner unbeschwerter oder belasteter, fideler oder trister?
Natürlich lässt sich das nicht mit Ja oder Nein beantworten. Weniges gibt es auf der Welt, über das mehr Studien angestellt werden, als über Partnerschaft, Familie und Sex. Und doch findet sich kaum Konkretes über Second Hand-Beziehungen und so zieht man als Laie eine vielleicht kühne, aber nicht ganz von der Hand zu weisende Bilanz: Das Pendel der Nachteile scheint bei Second Hand-Beziehungen doch stärker auszuschlagen, als man denkt. Ein Patentrezept, wie das Experiment mit einer "gebrauchten" Partnerin oder einem "benützten" Partner gelingen kann, gibt es nicht, schließlich ist jeder Mensch anders.
Einige hunderttausend frisch Geschiedene Männer und Frauen strömen jedes Jahr zurück auf den hiesigen Partnerschaftsmarkt, diejenigen, die aus eheähnlichen Langzeitbeziehungen kommen, sind da noch gar nicht mitgezählt.
Einige sehen das als Vorteil. Vor allem gegenüber jenen weiblichen oder männlichen First-Hand-Typen, die noch bei der Mama wohnen und eine Langzeitbeziehung lediglich zu ihrem Jugendzimmer pflegen. Die "Gebrauchten" haben schon mit einer anderen Frau als der Mutter oder einem anderem Mann als dem Vater, der Schwester oder dem Bruder zusammengewohnt und dabei nicht nur die Basics in Sachen Haushalt mitbekommen, sondern auch alles über die Bedürfnisse des weiblichen oder männlichen Körpers und dass es vorteilhaft sein kann, den Geschirrspüler auszuräumen oder leere Bierdosen zu tolerieren. Die gebrauchten Partner haben in der Regel keine Angst, sich emotional zu binden und sind irgendwann wieder bereit, sich voll und ganz auf ein neues Leben mit einem oder einer Neuen einzulassen.
"Ich zum Beispiel", erzählt etwa die Wiener Psychotherapeutin Anna Wexberg-Kubesch, "hätte nicht gerne einen Mann, der noch gar keine Beziehungserfahrungen hat."
Auch die 42-jährige Controllerin Monika, deren jetziger Partner bereits eine gescheiterte Beziehung hinter sich hat, ließ sich davon nicht irritieren. "Gebraucht", sagt sie, "sind sie mir lieber, weil sie schon mal erprobt und für gut befunden worden sind." Der 40-jährige Hubert, zwei Mal kinderlos geschieden, pflichtet ihr bei: "Ich denke, dass wir gerade deshalb zu schätzen wissen, was wir gefunden beziehungsweise aneinander haben!"
Dafür lauern andere Tücken: Die Erwartung, dieses Mal müsse unbedingt alles besser werden, und zwar von Anfang an, setzt alle Beteiligten unter Druck. "Ja", bestätigt auch Psychotherapeutin Wexberg-Kubesch, "es gibt immer wiederkehrende Fehler, wie oft im Leben. Wir bleiben die, die wir sind, auch wenn wir an uns arbeiten."
Mit anderen Worten: Weder Frauen noch Männer sind prinzipiell stark, klug, treu oder gar zu ändern. Sowohl bei Männern als auch Frauen können Ex-Partner mit oder ohne Kinder ein zusätzliches Gefühlschaos auslösen, mit dem die jeweiligen Partner erst lernen müssen umzugehen. Der Nachwuchs und die oder der Ex nehmen dessen Zeit in Anspruch. So kann es sein, dass sich die neuen Partner fühlen, als wären sie nur zweite Wahl. "Hüten Sie sich davor", gibt das Magazin "myself" zweckdienliche Lebenshilfe-Tipps für die Beziehung mit Gebrauchtpartnern, "mit seiner Vergangenheit in Konkurrenz zu treten. Die ist nämlich bereits entschieden: Sie sind seine Gegenwart."
Verzichten muss man auch auf Exklusivität. Es gibt kein Restaurant, in dem sie oder er nicht schon mit ihrem/seiner Verflossenen saß, kaum einen Platz, den sie nicht früher schon besucht haben. "Fast alles, was man gemeinsam macht, findet nicht zum ersten Mal statt. Es wird an der Vergangenheit gemessen und muss oft auch mit der Vergangenheit vereinbar sein", sagt Doris Früh-Naumann, Autorin des Buches "Im Schatten der Ersten". Dazu der Rat von "myself": "Jede Beziehung sollte sich ihre eigene Geschichte zulegen. Es ist also keine gute Idee, Urlaube dort zu verbringen, wo er sich schon mit Ihrer Vorgängerin vergnügt hat."
Die Ratschläge zeigen auch, wo die Probleme jener Paare liegen, die bereits langjährige Beziehungen hinter sich haben. "Ihre Aufgabe", erklärt das Magazin vor allem den weiblichen Partnerinnen, "besteht nicht darin, ihm ständig zu beweisen, dass Frauen auch ganz anders sein können als seine Ex. Wenn er etwas Pflegeleichtes braucht, sollte er sich ein bügelfreies Hemd kaufen."
Eine "unbeleckte" Beziehung scheint im Alltagsleben leichter zu bestehen. "Vieles funktioniert nicht so wie in einer Partnerschaft ohne Vorgeschichte", sagt Autorin Früh-Naumann. Das liege nicht an dem Paar selbst, sondern ganz einfach an der Situation. So müsse man vermeintliche Selbstverständlichkeiten noch intensiver als sonst immer wieder hinterfragen, alles neu miteinander aushandeln. Nicht zuletzt auch, weil die neue Verbindung häufig auch die Geburtsstunde einer variantenreichen "Zweitfamilie" ist.
Eltern lassen sich scheiden, Kinder leben beim Vater und verbringen die Ferien mit dem neuen Freund der Mutter. Familiäres Patchwork ist angesagt, eine frische, moderne, offene Lebensform. Alles ganz easy, oder?
Mitnichten. Während Mutter-Vater-Kind normalerweise eine Einheit bildeten, die nach außen abgeschlossen ist, gehören plötzlich weitere Personen zum System. Allen voran die Ex-Partner, aber auch Verwandte und Freunde aus dem "alten Leben" sind Teil der neuen Verbindung und wirken auf sie ein. "Man muss sich damit auseinandersetzen und sich bewusst werden, wer zum neuen Wir eigentlich dazugehört", erzählt der knapp fünfzigjährige Ralph.
Manchmal bringt er Kinder mit, manchmal sie und manchmal beide. Es gibt gemeinsamen Nachwuchs, oder auch nicht. Fast immer entsteht eine auf verschiedene Wohnorte verteilte Familie mit den kunterbuntesten verwandtschaftlichen Verknüpfungen. Ein kompliziertes, sensibles System, das die unterschiedlichsten Herausforderungen an die Partner stellt. Alle Beteiligten stecken voller Hoffnungen, vieles entpuppt sich als Illusion. Was ist, wenn das, was eine Familie ausmacht - Geborgenheit, Glück, Offenheit und Selbstvertrauen -, in einer Patchworkfamilie einfach nicht gelebt werden kann? Eifersucht, Unwillen oder Resignation der verschiedenen Familienmitglieder belasten den Alltag zusätzlich. "Ich hab mir bei den Kindern meiner neuen Partnerin dauernd überlegen müssen: Darf ich mich einmischen oder soll ich mich heraushalten?", erinnert sich Ralph. Wer sich davon nicht abschrecken lässt, darf sich am Ende vielleicht ein wenig bereichert fühlen. Second Hand-Beziehungen erweitern zwangsläufig den eigenen Horizont und fordern soziale Fähigkeiten.
Bliebe noch die finanzielle Frage. Autos und Hosen aus zweiter Hand sind günstiger als fabrikneue Modelle. Bei "Second Hand-Partnern" ist das anders. Die verlieren zwar kaum an Wert, aber finanzielle Zahlungen aus früheren Beziehungen können lange Zeit nachhängen.
Zum Abschluss sei der Schriftsteller Franz Kafka angeführt. "Die Liebe", schrieb er einst, "ist so unproblematisch, wie ein Fahrzeug. Problematisch sind nur die Lenker, die Fahrgäste und die Straße."
"Gebrauchte Beziehungen."
Gute Seiten:
Menschen sind lernfähig.
Durch eigene Entwicklung und Reife
bieten neue Beziehungen auch neue
Chancen.
Manche Fehler können vermieden
werden.
Manche Experimente haben einmal
gereicht.
Rückblickend hat die erste Wahl der/des
Partner(s)in nicht gestimmt.
Lebenserfahrung und mehr Klarheit über
sich selbst können attraktiv und
charmant sein.
+++ Schlechte Seiten:
Die Trennung vom vorigen Partner ist
emotional und/oder juristisch noch
nicht richtig vollzogen und daher ist
dieser Mensch noch gar nicht in der
Lage, sich wirklich auf eine neue
Beziehung einzulassen. Kommt häufig
vor aus Angst, allein zu sein.
Der vorige Partner, beziehungsweise
die vorige Beziehung wird als Maßstab
genommen und die neue daran
gemessen.
Es gibt Kinder, die sich mit der neuen
Situation nicht zurechtfinden oder
die von den Ex-Partnern funktionalisiert
werden.
Es wird deutlich, dass auch ein neuer
Mensch nicht dem absoluten Ideal ent-
spricht, es kommt zum Realitätsschock.
Es wird deutlich, dass man sich nicht
automatisch ändert oder es mit sich
selbst leichter hat, wenn man einen
neuen Partner hat.
Man versucht den neuen Partner für sein
neues Glück verantwortlich zu machen.
Es gibt möglicherweise Schwierigkeiten
mit den Freundeskreisen, weil manche
parteiisch für die Ex-Partner sind und
sich die Dynamiken verändern.
Die neuen Partner müssen in Herkunfts-
familien integriert werden.