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Partner gesucht?

Von Paul Schmidt

Gastkommentare
Paul Schmidt ist Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE).
© ÖGfE

Europas Sicherheit und Österreichs Selbstverständnis in der Welt.


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Der Nato-Beitritt Finnlands und die Teilnahme des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj am nächsten Gipfeltreffen des Bündnisses sind die bisher jüngsten deutlichen Signale, dass die Sicherheitsarchitektur in Europa vollkommen neue Formen annehmen wird. Alte Dogmen werden über Bord geworfen, neue Allianzen sind im Entstehen. Gilt das auch für Österreich? Sieht man sich die aktuellsten Umfragedaten der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik an, zeigt sich, wie stark die Neutralität nach wie vor das Sicherheitsgefühl hierzulande prägt. Anders als in Finnland und Schweden lehnen in Österreich knapp zwei Drittel der Bevölkerung einen Nato-Beitritt konstant ab.

Wenn es gilt, auf globaler Ebene Partner zu definieren, denen unser Land vertrauen kann, ist erstmals klar, wer nicht in diese Kategorie fällt: Nur 9 Prozent sehen in einem kriegsführenden Russland einen solchen Partner, 12 Prozent im systemischen Rivalen China. Dass lediglich ein Drittel die USA als dezidiert vertrauenswürdigen Partner bezeichnet und fast die Hälfte dies nicht so empfindet, wird manche hingegen erstaunen. Neben dem neutralen Selbstbild mögen für dieses Urteil zum einen länger tradierte Einschätzungen der USA als Weltpolizist und Kapitalismuskritik herhalten, zum anderen ist die Erzählung, dass das Weiße Haus insbesondere seine eigenen Interessen im Ukraine-Krieg verfolge, in Österreich durchaus präsent. Dazu passt, dass die Hälfte der Befragten auch der Ukraine ihr Vertrauen abspricht - besonders häufig tun dies übrigens deklarierte FPÖ-Sympathisanten, die zudem Russland und China als vertrauenswürdiger einstufen als etwa die USA und die Ukraine.

Die Stimmungslage spiegelt den Wunsch wider, von den geopolitischen Entwicklungen so wenig wie möglich betroffen zu sein. Teile der heimischen Politik tun ihr Übriges, um diese Illusion zu stärken. Damit unterscheidet sich unser Land doch deutlich vom größeren, in der Nato verankerten Nachbarn Deutschland, wo sich die Befragten in einer Vergleichsumfrage eindeutiger deklarieren, die Verantwortlichen klarer Kante zeigen und damit auch das Vertrauen in die USA und die Ukraine höher ausfällt.

Wie denkt also die Bevölkerung Österreichs? Die Antwort mag gerade Kritiker überraschen. Denn ungeachtet so mancher Frustration über die EU im Tagesbetrieb überwiegt die Befürwortung der Mitgliedschaft mit 68 Prozent konstant deutlich das knappe Viertel jener, die einem EU-Austritt gerne das Wort reden. Zwei Drittel plädieren zudem für eine engere europäische Zusammenarbeit in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Ein Indiz, dass die EU-Mitgliedschaft nicht als Widerspruch zur Neutralität betrachtet wird, und das Anlass sein sollte, die Widerstandsfähigkeit Europas weiter zu stärken.

Der Kampf um Freiheit und Demokratie, der sich gerade vor unserer Haustüre abspielt, lässt keinen Stein auf dem anderen. Der Gedanke, sich vom weltpolitischen Geschehen abzukoppeln, ist zwar nachvollziehbar, aber eben auch unrealistisch. Höchste Zeit also für eine ergebnisoffene Debatte über eine neue europäische Sicherheitsarchitektur und Österreichs Rolle darin.