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Partnerschaft mit Hürden

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

Vor dem Gipfeltreffen mit ihren östlichen Nachbarn dämpft die EU die Erwartungen.


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Brüssel. Für große Erwartungen ist in dem zwölfstöckigen Glasbau der Nationalbibliothek in Riga kein Platz: Wenn die Staats- und Regierungschefs der EU morgen, Donnerstag, in die lettische Hauptstadt reisen, wollen sie keine Hoffnungen auf weitreichende Entschlüsse schüren. Der zweitägige Gipfel der östlichen Partnerschaft soll das Engagement der Europäer in ihrer Nachbarschaft bekräftigen - doch viel mehr ist derzeit nicht möglich.

Seit Monaten schon versuchen Diplomaten und Politiker, den Optimismus gering zu halten. Sowohl den der Georgier und Ukrainer, die sich eine schnelle Annäherung an die EU wünschen, als auch den der Letten, die derzeit den EU-Vorsitz innehaben. Wie die Polen würden die Balten nämlich gern ein klares Signal des Zuspruchs an die Partner aussenden - das gleichzeitig eine Warnung an Russland wäre, das mit den Europäern um den Einfluss in der Region ringt. Doch muss die EU auch die Balance schaffen, die Beziehungen zu den sechs Ländern des Programms zu stärken, ohne das Verhältnis zum Kreml noch mehr zu verschlechtern.

Noch dazu sollen Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Moldawien, die Ukraine und Weißrussland nicht vor eine weitere Zerreißprobe gestellt werden. Mit so einer sah sich die Ukraine konfrontiert: Kurz vor dem letzten derartigen Gipfeltreffen in der litauischen Hauptstadt Vilnius entschied sich Kiew gegen die Unterzeichnung eines weitreichenden Handelsabkommens mit der EU, um Moskau nicht zu verprellen. Bald darauf gingen die Demonstrationen und Straßenschlachten los, die in Kämpfen im Osten des Landes und der Annexion der Halbinsel Krim mündeten.

Seitdem betonen die Europäer immer wieder, dass das Angebot der östlichen Partnerschaft keineswegs gegen die Interessen anderer gerichtet sei - was vor allem Russland beruhigen soll. "Wir wollen es vermeiden, neue Gräben aufzureißen", sagt ein hochrangiger EU-Beamter. "Wenn andere das trotzdem so empfinden, entspricht das nicht unserer Absicht." Trotzdem gefällt dem Kreml das Programm nicht: Schon pochte Außenminister Sergej Lawrow darauf, dass sich die Annäherung der Länder an die EU nicht negativ auf Russland auswirken dürfe.

Die Staaten selbst haben aber sowieso unterschiedliche Standpunkte, wie eng sie mit der Gemeinschaft zusammenarbeiten wollen. Weißrussland und Armenien haben sich bereits der eurasischen Wirtschaftsunion unter Führung Russlands angeschlossen. Und Aserbaidschan möchte sich weder an die eine noch an die andere Seite allzu sehr binden. Die Ukraine kämpft auch mit dem Konflikt in ihrem Inneren; Georgiens Ruf nach rascher Visaliberalisierung ist bisher unbeantwortet geblieben. Die EU-Kommission verweist auf technische Bedingungen, die das Land noch erfüllen muss. Lediglich die Moldawier können seit einem Jahr ohne Visum in die EU einreisen.

Ambitioniertes Projekt stießan seine Grenzen

Den unterschiedlichen Interessen müsse die EU mit unterschiedlichen Ansätzen begegnen, betont daher Kommissar Johannes Hahn, der für Nachbarschaftspolitik und Erweiterungsverhandlungen zuständig ist. Das fügt sich denn auch in die Revision des gesamten Programms der Nachbarschaftspolitik, die nicht nur die östlichen Nachbarn, sondern auch nordafrikanische Staaten umfasst. Was aber vor mehr als zehn Jahren als ambitioniertes Projekt zur Unterstützung beim wirtschaftlichen und demokratischen Aufbau begann, gelangte nach einiger Zeit an seine Grenzen. Die zeigten Entwicklungen wie etwa der Bürgerkrieg in Syrien oder die aggressive Außenpolitik Russlands auf. Bis Herbst will die Kommission Vorschläge für eine Änderung des Nachbarschaftsprogramms vorlegen.

In der Zwischenzeit ist sogar die sogenannte europäische Perspektive, an der etwa die Ukraine interessiert ist, aus der Sichtweite gerückt. "Jeder weiß, was im Moment realistisch ist", kommentiert Hahn. So sei sich die Regierung in Kiew bewusst, dass sie noch dutzende Reformen durchzuführen habe, bevor sie einen Antrag auf EU-Mitgliedschaft stellen könne. Mit dem Ansuchen sei vielleicht in fünf Jahren zu rechnen. Bis dahin muss sich die Ukraine mit dem Handelsabkommen begnügen, dessen einige Teile erst Anfang des kommenden Jahres in Kraft treten. Die EU wollte zuvor nämlich einige russische Bedenken zerstreuen.