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Pass-Skandal in Afrikas Armenhaus

Von Ronald Schönhuber

Politik
Präsident Kabila gerät durch die Pass-Affäre unter Druck.
© reu

Mit 185 Dollar zählen die neuen kongolesischen Reisepässe zu den teuersten der Welt. Den Großteil der Gebühren streicht eine dubiose Offshore-Firma ein.


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Kinshasa. Es ist knapp eineinhalb Jahre her, dass Joseph Kabila sein breitestes Lächeln aufgesetzt hat, als im Außenministerium ein Scanner seine Fingerabdrücke abnahm und mittels Computer ein Foto von ihm gemacht wurde. Der Auftritt des Präsidenten im November 2015 markierte den Auftakt für die Einführung der neuen biometrischen Pässe, die auch über zahlreiche im Kongo bisher ungekannte Sicherheitsdetails wie einen Chip zur Speicherung von personenbezogenen Daten verfügen. Dank der neuen Dokumente würden die Bewohner des Kongos in einer immer stärker auf Sicherheit und Kontrolle fokussierten Welt künftig deutlich einfacher reisen können, erklärten Kabila und seine Gefolgsleute damals vollmundig.

Noch mehr als die Kongolesen selbst dürften allerdings jene profitieren, die hinter der Einführung der neuen Pässe stehen. Denn um einen solchen Pass zu bekommen, müssen Antragsteller im Kongo umgerechnet 185 Dollar zahlen. Damit ist er mehr als doppelt so teuer wie sein britisches Pendant. Und auch ein US-Pass ist mit 110 Dollar deutlich günstiger. Doch von den 185 Dollar, für die ein Durchschnittsbürger in Afrikas Armenhaus mehrere Monate arbeiten muss, gehen nur 65 Dollar an den Staat. Fast der ganze Rest entfällt laut der Nachrichtenagentur Reuters vorliegenden Unterlagen auf das belgische Unternehmen Semlex, das die Pässe herstellt, und auf eine kleine in den Vereinigten Arabischen Emiraten registrierte Firma namens LRPS.

Insidern zufolge gehört LRPS, das 60 Dollar pro Pass erhält, einer Frau namens Makie Makolo Wangoi, die eine nahe Verwandte des Präsidenten, möglicherweise sogar eine seiner vielen Schwestern sein soll. Welche Leistung LRPS genau für die 60 Dollar erbringt, ist jedoch unklar. Weder Wangoi noch Kabila selbst wollten sich trotz des seit Tagen deutlich zunehmenden Drucks von Opposition und lokalen Medien bisher zu dem Fall äußern.

Klar ist hingegen, dass die Angelegenheit, in der mittlerweile auch schon die belgische Staatsanwaltschaft ermittelt, ein äußerst einträgliches Geschäft darstellt. Denn allein die 145.000 Pässe, die in der Anlaufphase bis Ende Jänner 2017 produziert worden sein sollen, würden für LRPS einen Umsatz von knapp neun Millionen Dollar bedeuten. Noch viel mehr Geld könnte hereinkommen, wenn man in den Vollbetrieb übergeht. Denn mit rund 2,5 Millionen Pässen, die im Kongo durchschnittlich pro Jahr ausgestellt werden, käme man auf rund 150 Millionen Dollar.

Dass Verwandte und Vertraute von Kabila zu Reichtum kommen, ist im Kongo, wo jedes Jahr knapp 15 Milliarden Dollar durch Korruption und Betrug verloren gehen, aber nichts Neues. Laut einer Aufstellung der Nachrichtenagentur Bloomberg haben nicht weniger als 70 Unternehmen engste Verbindungen zur Familie Kabilas. Doch angesichts der aktuell besonders aufgeheizten Stimmung könnte die Pass-Affäre die politische Lage nachhaltig vergiften. Schon seit Monaten ist die Situation im 70 Millionen Einwohner zählenden Kongo angespannt, weil Kabila nicht wie von der Verfassung vorgesehen im Dezember abgetreten ist. Unter Vermittlung der katholischen Kirche wurde zwar ein Abkommen über einen Übergangsprozess unterzeichnet, demzufolge der 45-Jährige bis zu Neuwahlen Ende 2017 im Amt bleiben darf, wenn er dafür einen Oppositionspolitiker zum Premier ernennt. Der von Kabila Anfang April berufene Bruno Tshibala wird von der oppositionellen UDPS aber abgelehnt, weil er sich von der Partei abgewendet hat.