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Pathologische Anleitung zum "perfekten Mord"

Von Christa Karas

Wissen

Einst saßen die Hörer in der Regel still und mit grünlich-bleichen Gesichtern dort, doch am vergangenen Montagabend tobten Lachsalven durchs Auditorium, als Hans Bankl im Hörsaal der alten Pathologie des alten Wiener Allgemeinen Krankenhauses die Themen seines neuen Buches "Im Rücken steckt das Messer" - Geschichten aus der Gerichtsmedizin - umriss. Und gar keine Frage: Nicht anders wird es der Leserschaft gehen, die bereits vor Erscheinen ein derart lebhaftes Interesse an dem Buch bekundete, dass sich der Verlag Kremayr & Scheriau zur Auflagenerweiterung veranlasst sah.


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Der renommierte österreichische Pathologe Hans Bankl, Jahrgang 1940, war seinerzeit bereits mit 31 Jahren der jüngste Dozent seines Faches - was bedeutet, dass er wahrlich eine Ära erlebte, nämlich jene des legendären Leopold Breitenecker (von 1959 an über viele Jahre Vorstand des Instituts für Gerichtliche Medizin in Wien), dessen Expertisen nachgerade sakrosankt waren.

"Der Pathologe weiß alles", lautet denn auch ein Motto im neuen Buch Bankls, "aber leider zu spät." Und selbst wer sich daran erinnert, dass einer der Bedeutendsten dieser Zunft das Gewebe einer Prostata für jenes einer weiblichen Brust hielt, wird dem zustimmen (immerhin wurde der gute Mann von anderer Seite über seinen Irrtum aufgeklärt).

Das traf auch auf Albin Haberda zu, den bedeutendsten Gerichtsmediziner Österreichs in der Zeit vor Breitenecker, der - wie Bankl Titel-gebend berichtet - eines Nachts zu einem Leichenfundort im Wiener Prater gerufen wurde und der noch aus der Distanz knurrend konstatierte: Mann in einer Blutlache, riecht meterweit nach Alkohol, also Säufer mit Leberzirrhose, Blutung aus der Speiseröhre. Holt´s mich nie mehr wegen so etwas aus dem Bett! Woraufhin ihn ein mutiger Polizist zurückrief: Herr Professor, bleiben S´ bitte da und drehn S´ ihn um, im Rücken steckt ein Messer!"

Es sind vor allem diese "G´schichterln aus der guten alten Zeit", die einem im Verhältnis zur heutigen Realität (siehe nebenstehenden Bericht) so ansprechend-harmlos vorkommen wie ein Agatha Christie-Krimi im Verhältnis zu den Romanen Patricia Cornwells, die eine Gerichtsmedizinerin (Kay Scarpetta) zur Hauptperson gemacht hat, selbst wenn diese "G´schichterln" Namen wie jenen des rechtsradikalen Amokmörders Ernst Dostal berühren, an dessen wochenlange Verfolgung sich die seinerzeitige Kriminalreporterin Ch. K. noch heute mit Schrecken erinnert, zeigt sich doch später immer wieder: Sind schlimme Zeiten jetzt und schlimmre stehn vielleicht bevor, allein, das Schlimmste ist´s nicht, so lange man noch sagen kann, das ist das Schlimmste (frei nach Shakespeare).

Immerhin verweisen Bankls amüsante Geschichten auf den ernsthaften Hintergrund letaler Behandlungsverläufe ("Medizin ist keine Kunst, also gibt es keine Kunstfehler"), auf Unachtsamkeiten und Dummheiten der Ärzte, die Totenscheine ausstellen ("Wie gelingt ein perfekter Mord?") und die entsprechenden Dunkelziffern sowie auf die zahlreichen Mythen rund um die Tode und Selbstmorde von Promis.

Und: Auch wenn Österreich, wie auch Bankl einräumt, weltweit eine Spitzenposition bei den Obduktionen einnimmt und verdächtige Todesfälle (Verbrechen) daher wesentlich seltener als etwa in den USA und Deutschland übersehen werden, so ist seine Forderung nach einer Ausweitung durchaus berechtigt. Denn auch bei uns werden die weitaus meisten Obduktionen in den Spitälern durchgeführt (AKH Wien etwa: 60 Prozent aller Todesfälle), während der private Bereich meist dem (oft oberflächlichen) Beschauer obliegt...