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Pathos ist gut für Europa

Von Reinhard Göweil

Leitartikel

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Manchen war die Europa-Rede des deutschen Bundespräsidenten zu pastoral. Soll so sein. Doch Joachim Gauck traf damit einen Nerv. Pragmatiker gibt es in der EU ausreichend, sie haben die Kompromissbereitschaft mittlerweile in den Genen. Und nivellieren Europa auf die Ebene eines Herman-Van-Rompuy-Budgetvorschlags - also nahe null.

Chefredakteur Reinhard Göweil.

Gauck setzt dem Pathos entgegen, und recht hat er. Er erklärt Europa zur Idee und wendet sich an die Herzen, nicht den Verstand. Freiheit, Frieden und Toleranz sind nicht kompromissfähig.

Es wäre klug von den Regierungskanzleien, sich etwas von Gaucks Pathos zu eigen zu machen. Die vorliegende Konjunkturprognose zeigt, dass es weder heuer noch im nächsten Jahr gelingen wird, die Massenarbeitslosigkeit in vielen Regionen Europas zu reduzieren.

Das bedeutet, dass noch mehr Menschen den Glauben an und die Hoffnung auf dieses Europa verlieren werden. Eine Idee ohne Perspektive ist aber nur ein Schmäh - folgerichtig fühlen sich viele Bürger gefoppt.

Diese Menschen gehen politischen Scharlatanen wie Silvio Berlusconi in Italien auf dem Leim, der ihnen eine Märchenwelt verspricht, die es nie gab und nie geben wird. Oder auch Gestalten wie dem Berufskomiker Pepe Grillo, der zwar kein Programm hat, aber die Protestgesinnung vieler unterhaltsam und für sich nutzt.

Wenn Europa auf sich hält, räumt es nun die sinnlosen Scharmützel eitler Premierminister zur Seite und besinnt sich auf die eigentliche Aufgabe, eine lebenswerte und glücklichere Gesellschaft zu entwerfen.

Dazu gehören Jobs, sicherlich. Die EU wird erkennen müssen, dass Defizite und Staatsschulden kein Programm sind. Und sie muss - wie es Gauck ausdrücklich forderte - den Bürgern viel mehr Raum geben. Bürokratische Hemmnisse in der Bewegungsfreiheit, nur weil Nationen Grenzen haben - weg damit. Kleingeistige Budgetdebatten - weg damit. Politiker, die nur die eigenen Taschen füllen (wie in Spanien) - weg damit. Frankreich im Kampf gegen Terroristen in Mali allein zu lassen - geht nicht.

Zu diesen Themen sollten sich das EU-Parlament und die EU-Kommission äußern - nachdrücklich, vor allem aber mit Taten.

Gauck hat die Bürger Europas aufgefordert, selbst für Europa aufzustehen. Wäre fein, wenn sich viele von seinem Pathos anstecken ließen.