Zum Hauptinhalt springen

Patron alter Schule

Von WZ-Korrespondentin Ruth Reichstein

Wirtschaft

Porträt von Arcelor-Chef Guy Dollé. | Brüssel . Arcelor-Chef Guy Dollé ist ein Patron alter Schule. Ihm ist es zu verdanken, dass der größte Stahlkonzern Europas noch nicht von seinem indischen Konkurrenten Mittal übernommen worden ist. Doch nach seinem Rücktritt könnte sich dies ändern.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 18 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

#Beliebter Boss

In der Übernahmeschlacht kennt Dollé kein Pardon. Gleich nach der offiziellen Ankündigung Mittals, Arcelor übernehmen zu wollen, ging der drahtige Franzose in die Offensive. Er berief seinen Aufsichtsrat ein, traf sich mit Gewerkschaftlern und Regierungschefs in Frankreich, Belgien und Luxemburg. "Er empfindet das als einen persönlichen Angriff", sagt Peter Scherrer von der Europäischen Metallgewerkschaft. "Dollé geht es nicht nur um Zahlen, sondern er empfindet auch eine Verpflichtung seinen Leuten gegenüber." Deshalb mögen ihn die Gewerkschaften, obwohl Dollé die schmerzliche Restrukturierung bei Arcelor angetrieben hat. In Lüttich zum Beispiel wird 2009 der letzte Hochofen abgeschaltet. In Zukunft wird im belgischen Stahlbecken nur noch "kalt" produziert. 10.000 Jobs gehen verloren.

In der Übernahmeschlacht kann sich Dollé jedoch auf seine Mitarbeiter verlassen. Immer wieder melden sich Gewerkschafter zu Wort. "Es sind zwei grundverschiedene Unternehmensstrukturen. Das passt nicht zusammen", sagt John Castegnaro, Luxemburger Gewerkschaftspräsident und Mitglied im Aufsichtsrat von Arcelor. Mittal sei auf Profit aus und kenne keine sozialen Verpflichtungen. Dollé dagegen bezeichnen Mitarbeiter als einen Chef der alten Schule.

Und dieser sucht nach Verbündeten. Überall, wo Mittal in den vergangenen Wochen hinkam, war Dollé schon oder gab sich mit dem Inder die Klinke in die Hand. Eine Pariser PR-Firma unterstützt ihn bei seiner Gegenoffensive.

Größe ausschlaggebend

Über die Jahre hat Dollé den Konzern ständig ausgebaut, der 2001 aus der luxemburgischen Arbed, der französischen Usinor und der spanischen Aceralia entstand. Zuletzt schluckte er den kanadischen Stahlkonzern Dofasco. Dieses Geschäft bot Mittal übrigens den Anlass zum Übernahmeangebot. In einigen Jahren werde es nur noch wenige, globale Stahlkonzerne geben, prophezeit Dollé. Dass Arcelor dazu gehört, stand für ihn nie außer Frage. Auch deshalb führt er jetzt so unerbittlich die Schlacht. "Wir haben einen langen Atem".