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Pattstellung nach Parlamentswahl

Von Martyna Czarnowska

Europaarchiv

Bei der Parlamentswahl in Nordzypern konnte die oppositionelle CTP (Republikanisch-Türkische Partei) deutliche Gewinne verzeichnen: Erstmals wurde eine Fraktion, die eine rasche Wiedervereinigung der Insel befürwortet, stärkste Kraft im - nur von der Türkei anerkannten - Parlament der Türkischen Republik Nordzypern. Dennoch kommt es zu einer Pattstellung. Die Oppositionsparteien erhalten nämlich 25 Mandate - ebenso wie die bisherigen Regierungsparteien.


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Der Druck zu gewinnen war groß. So machten die Oppositionsparteien die Parlamentswahl vergangenen Sonntag zu einer "Schicksalswahl": Diese sollte entscheidend sein für den künftigen Regierungskurs Nordzyperns und die Aufnahme in die Europäische Union. Es endete vorerst in einer Pattsituation.

Als Wahlsieger ging die Opposition hervor, die sich für eine rasche Wiedervereinigung Zyperns auf Basis des von UN-Generalsekretär Kofi Annan vorgelegten Plans ausspricht. Die CTP um Vorsitzenden Mehmet Ali Talat erlangte 35,2 Prozent der Stimmen und konnte ihren Anteil im Vergleich zu 1998 fast verdreifachen. Sie erhält 19 Mandate von insgesamt 50 Sitzen im Parlament. Die mit Talat verbündete BDH (Bewegung für Frieden und Demokratie) erreichte 13,1 Prozent und sechs Mandate.

Die bisherigen Regierungsparteien UBP (Partei der Nationalen Einheit) und DP (Demokratische Partei) dagegen mussten Verluste hinnehmen. Die UBP mit Ministerpräsident Dervis Eroglu rutschte um beinahe acht Prozent auf 32,9 Prozent. Sie entsendet nur noch 18 Abgeordnete ins Parlament; die DP erhält sieben Sitze. Die zwei Parteien unterstützen den Kurs von Präsident und Verhandlungsführer Rauf Denktash, der noch Anfang des Jahres den Annan-Plan abgelehnt hatte.

"EU nicht um jeden Preis"

Oppositionsführer Talat hat bereits seinen Führungsanspruch geltend gemacht. Denktash solle ihn mit der Regierungsbildung betrauen, forderte der CTP-Vorsitzende. Der Präsident will aber zunächst Gespräche mit allen Parteien führen. Er interpretierte das Wahlergebnis auf seine Weise: Die Bevölkerung sei zwar für eine Wiedervereinigung Zyperns und eine Mitgliedschaft in der EU, aber nicht um jeden Preis. Die Hälfte lehne den Annan-Plan ab, meinte Denktash bei einer Pressekonferenz in Nikosia. Im südlichen Teil der Insel, der Republik Zypern, wird das Ergebnis hingegen als Ausdruck der Missbilligung der türkischen Zypern-Politik der vergangenen Jahre gewertet. Dies sollte zur Änderung der Haltung der Türkei führen, erklärte Regierungssprecher Kypros Chrysostomides. Der zypriotische Präsident Tassos Papadopoulos werde demnächst Kofi Annan kontaktieren, um eine Wiederaufnahme der griechisch-türkischen Volksgruppen-Verhandlungen zur Wiedervereinigung zu erreichen.

Geht es nach der nordzypriotischen Opposition wird der Verhandlungsführer dann nicht mehr Rauf Denktash heißen. Talat ist mit dem Ziel angetreten, als Vorsitzender der stärksten Partei Ministerpräsident und damit neuer Verhandler zu werden. Der Annan-Plan, der einen Bundesstaat Zypern mit zwei gleichberechtigten Gebietseinheiten vorsieht, stellt für ihn eine gute Basis für Gespräche mit der griechischen Volksgruppe dar.

Nochmals Wahlen?

Doch ein Bündnis mit der BDH bringt der CTP keine Parlamentsmehrheit, und eine Koalition mit den AnhängerInnen von Denktash ist so gut wie ausgeschlossen. Sollte eine Regierungsbildung nicht möglich sein, werde es in zwei Monaten nochmals Wahlen geben, kündigte Denktash bereits an.

Viel Zeit bleibt Nordzypern allerdings nicht mehr. Ist bis 1. Mai 2004 keine Lösung gefunden, tritt zwar - völkerrechtlich - die gesamte Insel der Europäischen Union bei, das Regelwerk der EU wird aber nur auf den Süden angewandt. Dies würde die Isolation des Landes und dessen Abhängigkeit von der Türkei noch verstärken. Diese wiederum könnte sich Nordzypern als Faustpfand für ihre Bemühungen um die Aufnahme der eigenen Beitrittsverhandlungen mit der EU behalten. Eine Lösung des "Zypern-Problems" hängt also auch von Ankara ab.