Der Mann ist ein Muster an Pflichterfüllung. Weil er früh-morgens pünktlich zur Arbeit erscheinen will und das leidige Parkplatzsuchen rund um den Betrieb den Arbeitsbeginn stark verzögern würde, hat er sich in Betriebsnähe einen privaten Parkplatz angemietet. Auf eigene Kosten. Mit diesen Kosten ist er bei seinem Arbeitgeber vorstellig geworden, bloß ein paar Zimmer weiter im Betrieb. Denn der Herr ist Finanzbeamter in Graz und darum wollte er für seine ehrenwerte Dienstnehmer-Gesinnung auch den entsprechenden Freibetrag. Die Frage lautet nun: Kriegt er ihn?
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Der Versuch des Grazer Finanzers hat - wieder einmal - die Problematik der Fahrtkosten-Berücksichtigung aufgezeigt, die bei vielen Arbeitnehmern zutagetritt: die Problematik der steuerlichen Abgeltung der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsort. Im Lohnsteuerrecht wird den Arbeitnehmern dazu eine zweifache steuerliche "Entschädigung" geboten: den Verkehrsabsetzbetrag und das Pendlerpauschale.
Verkehrsabsetzbetrag
Der Verkehrsabsetzbetrag (VAB) - jährlich 291 Euro bzw. 4.000 Schilling - ist ein direkter Steuerminderungsbetrag und wird allen aktiven Arbeitnehmern automatisch gewährt. Er ist bereits in den üblichen Lohnsteuertabellen eingerechnet und braucht daher nicht besondern beantragt zu werden. Das Gesetz geht davon aus, dass die überwiegende Mehrzahl der Arbeitnehmer in irgendeiner Form derlei Fahrtkosten auf sich nehmen muss und macht daher aus dem Absetzbetrag einen allgemeinen Steuervorteil.
Pendlerpauschale
Anders wirkt das Pendlerpauschale (PP); es ist kein Steuerabsetzbetrag, sondern ein Freibetrag, der das steuerpflichtige Einkommen vermindert und daher nur teilweise Steuerentlastung bewirkt. Es wird in einer "kleinen" Version angeboten und als "großes" Pendlerpauschale. In beiden Versionen soll es die Mühsal der weiten Strecke zwischen Wohnung und Job abgelten bzw. die Schwierigkeiten, diese Strecke überhaupt zu überwinden.
Dieses Pauschale wird nicht automatisch gewährt, man muss es beantragen: wahlweise beim Dienstgeber (mit Formular L 34) oder auch im Rahmen eines Arbeitnehmer-Steuerverfahrens, wobei man es bis zu fünf Jahre zurück beanspruchen kann. Der Arbeitgeber braucht die Angaben seines Mitarbeiters nicht nachzuprüfen; wenn sie nicht das Blaue vom Himmel sind, kann er das Formular L 34 akzeptieren und den Freibetrag bei der Lohnverrechnung ansetzen. Kommt das Finanzamt bei einer späteren Prüfung auf einen Schwindel drauf, haftet nur der Arbeitnehmer.
PP in zwei Versionen
Die Unterschiede zwischen kleinem und großem Pendler-pauschale sind von den Voraussetzungen her erheblich. Das kleine "Entfernungspauschale" steht zu, wenn die Distanz zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mindestens 20 km beträgt, die Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels aber möglich und zumutbar ist. Daher beginnt das Schema des "Kleinen" bei 20 km.
Das große Pauschale ("Unzumutbarkeitspauschale") steht zu, wenn die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels auf dem Arbeitsweg nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Dieses Pauschale kann bereits ab 2 km Entfernung zu-stehen. (Das große Pauschale war übrigens für das Jahr 2001 erhöht worden, doch wurde diese Erhöhung ab heuer wieder auf die Werte vor 2001 herabgesetzt).
Unzumutbare Öffis
Die Frage, wann die Benützung der Öffis nicht möglich/nicht zumutbar ist, ist natürlich nur im Einzelfall zu klären. Die neuen Lohnsteuerrichtlinien unterscheiden da zwischen tatsächlicher Unmöglichkeit (auf dem halben Arbeitsweg gibt es überhaupt kein Öffi oder nur eines, das zu abwegigen Zeiten fährt), einer Unzumutbarkeit wegen Gehbehinderung (der Arbeitnehmer kann wegen dauernder erheblicher Gehbehinderung gar kein Öffi benützen) und der Unzumutbarkeit wegen langer Anfahrzeit. Letztere ist gegeben, wenn die einfache Wegstrecke bei unter 20 Kilometern Entfernung mehr als 1,5 Stunden, ab 20 km mehr als 2 Stunden und ab 40 mehr als 2,5 Stunden beträgt.
"Sinnvolle" Fahrtstrecke
Das auf den ersten Blick einfache System des Pendlerpauschales hat dennoch bereits eine beachtliche Zahl von Höchstgerichts-Judikaten ausgelöst. Dies vor allem zum Be-griff der Wegstrecke, für den die Richtlinien daher auch dem Gerichtshof mit recht kasuistischen Definitionen gefolgt sind. So hat das Verwaltungsgericht etwa festgeschrieben, dass es bei den Fahrtstrecken nach dem großen Pauschale nicht immer der kürzeste Weg sein muss, sondern vielmehr der sinnvollste, wobei Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehrs, sogar Umweltschutzerwägung mit zu berücksichtigen seien.
PP mindestens 10 Tage
Das Pendlerpauschale steht zu, wenn die dafür notwendigen Voraussetzungen im Lohnzahlungszeitraum überwiegend vorliegen. Da der steuerliche Monat mit 20 Arbeitstagen gerechnet wird, müssen die Voraussetzungen an mehr als 10 Arbeitstagen gegeben sein. Das Pauschale steht ferner auch im Urlaub und in Krankenstandszeiten zu, wenn es im Monat davor beansprucht werden konnte. Nur bei ganzjährigem Arbeitsausfall oder bei ganzjähriger Karenz entfällt es. Das Pauschale kann bei einem Doppeldienstverhältnis zustehen (wenn die Voraussetzungen beiderseits passen) und es ist auch verfügbar, wenn der Dienstgeber die Fahrten zwischen Wohnung und Betrieb mit einem Firmenfahrzeug abspult; denn im letzteren Fall gelten die Fahrten als Privat-fahren (für die ein Sachbezug versteuert werden muss), die das Pendlerpauschale nicht ausschließen.
Unflexible Pauschalien
Zu beachten ist freilich, dass Verkehrsabsetzbetrag und Pendlerfreibetrag Pauschalbeträge sind, die - laut Gesetz - "alle Ausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte" abgelten. Zu allen Ausgaben zählt das Höchstgericht auch die peripheren, die nicht zu den eigentlichen Fahrkosten gehören. Damit weicht der Gerichtshof zwar vom Motivenbericht zur seinerzeitigen Gesetzwerdung deutlich ab, will aber bei seiner extensiven Interpretation keine Ausnahmen zulassen.
Der pflichtbewusste Beamte im Finanzamt Graz kriegt also den Verkehrsabsetzbetrag, gegebenenfalls auch das Pendlerpauschale. An den privaten Parkplatzkosten bleibt er aber leider picken.