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Keine Rüge der EU-Kommission für Frankreich und Italien - vorläufig.
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Brüssel. Das letzte Wort hatte Miguel Torga. Ein Werk des portugiesischen Lyrikers in dessen und zugleich seiner eigenen Sprache zitierte Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso zum Schluss seiner Pressekonferenz. Von neuen Wegen, von Lebenskraft und -mut ist in dem Gedicht die Rede. Denn auch für Barroso beginnt nun ein neuer Abschnitt. Es war der letzte Auftritt des 58-Jährigen vor den Medien in seiner Funktion als Präsident der Brüsseler Behörde, nach der letzten Versammlung der EU-Kommissare, der er vorstand. 424 solcher Zusammenkünfte hat Barroso in den zwei jeweils fünfjährigen Legislaturperioden geleitet; am Wochenende übergibt er sein Amt dem Luxemburger Jean-Claude Juncker.
Dessen Mannschaft übernimmt auch gleich einige Herausforderungen, die schon der scheidenden Kommission immer wieder zu schaffen gemacht haben. Dazu gehört das Ringen um Haushaltskonsolidierung im Rahmen des Stabilitätspaktes, zu dem sich die Mitgliedstaaten verpflichtet haben. Laut den Vorgaben darf das aktuelle Defizit eines Euro-Landes nicht über drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) liegen und die Gesamtverschuldung 60 Prozent nicht übersteigen. Doch einige der größten Volkswirtschaften in der EU haben ihre Schwierigkeiten damit. So peilt Frankreich erst für das Jahr 2017 die Marke von drei Prozent an, während Italien mit seinem hohen Schuldenberg hadert. Die beiden haben - wie alle anderen Staaten auch - ihre Budgetentwürfe für das kommende Jahr Mitte Oktober nach Brüssel übermittelt.
Nun ist die Frist abgelaufen, in der die Kommission die Pläne hätte zurückweisen müssen, wenn diese "ernsthafte Verstöße" gegen die Regeln zur Haushaltsdisziplin aufweisen. Und die Regierungen in Paris und Rom können aufatmen - zumindest vorläufig. Denn eine endgültige Bewertung der Entwürfe liegt noch nicht vor, sie soll bis Ende November erfolgen.
Fürs Erste aber konnte Wirtschaftskommissar Jyrki Katainen keinen gravierenden Regelbruch feststellen. Das sei allerdings keine Vorentscheidung über den Ausgang der Prüfung oder eventuelle Strafen, unterstrich der Finne. Gleichzeitig lobte er die Anpassungen, die die Länder vorgenommen hatten. Denn sowohl Frankreich und Italien als auch Österreich haben kurz zuvor - und nach Rückfragen aus Brüssel - angekündigt, ihre Pläne nachzubessern. "Das zeigt, dass unsere Budgetüberwachung funktioniert", kommentierte Katainen.
Finanzministerium in Wien sieht sich in Kurs "bestätigt"
Paris und Rom hatten nämlich zugesichert, ihre Neuverschuldung stärker zu vermindern als ursprünglich geplant. Frankreich will das strukturelle Defizit um 0,5 Prozentpunkte senken; und in Italien soll dieser Wert bei 0,3 Punkten liegen.
Auch Wien hatte "zusätzliche Maßnahmen" in Aussicht gestellt. Diese sollen 0,3 Prozent des BIP ausmachen, was etwa einer Milliarde Euro entspricht, und sie sollen das strukturelle Defizit auf 0,7 Prozent drücken.
Die vorläufige Entwarnung in Brüssel sieht das österreichische Finanzministerium nun "als Bestätigung unseres Kurses". Detailgespräche mit der Kommission würden Anfang November folgen.
Zufriedenheit demonstrierten auch die Regierungen in Italien und Frankreich. Finanzminister Pier Carlo Padoan sprach von einer "großartigen Zusammenarbeit" mit der Brüsseler Behörde. Von Problemen sei keine Rede gewesen. Ähnlich äußerte sich sein französischer Amtskollege Michel Sapin.
Die endgültige Beurteilung darüber wird Ende November ausgerechnet sein Vorgänger kundtun. Da wird nämlich dann Pierre Moscovici als EU-Kommissar für Wirtschaftsfragen zuständig sein, gemeinsam mit dem lettischen Vizepräsidenten Valdis Dombrovskis. Der Franzose hat noch vor seinem Amtsantritt versichert, selbst gegenüber seinem Heimatland bei Nicht-Einhaltung der EU-Vorgaben keine Milde walten zu lassen.