Zum Hauptinhalt springen

Pausentaste für Erweiterung

Von Walter Hämmerle

Politik

Swoboda: Union benötigt dringend neue institutionelle Struktur.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

"Wiener Zeitung": Agrarreform, Haftungsregeln für Banken, EU-Finanzrahmen und 6 Milliarden Euro für den Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit: Es war eine ereignisreiche Woche - war es auch eine gute Woche für Europa?Hannes Swoboda: Ja, es war eine gute Woche, ich hätte sie mir nur schon früher gewünscht.

Gilt das auch für das EU-Parlament? Dieses hat seine ehrgeizigen Forderungen kaum durchsetzen können, vor allem beim EU-Finanzrahmen hat sich der Rat der Regierungschefs durchgesetzt.

Natürlich hätten wir uns viel mehr gewünscht, wir wissen aber auch, wie die Stimmung in den Bevölkerungen ist. Jetzt kommt es darauf an, das Geld vernünftig zu verwalten. Es hat ja auch keinen Sinn, viel mehr Geld zu verlangen, als dann ausgegeben werden kann.

Das ist ja auch das Problem mit den 6 Milliarden Euro, die gegen Jugendarbeitslosigkeit vorgesehen sind. Es fehlt in den betroffenen Ländern an Strukturen und Konzepten, die auch zu Jobs führen.

Dieses Geld fließt ja erst ab 2014, es werden bereits jetzt Schritte unternommen, auf bilaterale Ebene, aber genauso seitens der Union, um die notwendigen Strukturen aufzubauen, etwa im Lehrlingswesen. In Kombination mit zusätzlichen Mitteln für kleinere und mittlere Unternehmen entsteht schon ein gewisser Effekt. Aber klar ist: Die Kommission muss dafür sorgen, dass es funktioniert.

Hinter all dem steht die Herausforderungen, Europas Süden wettbewerbsfähig zu machen. Das ist nicht zuletzt eine Frage der unterschiedlichen Mentalitäten. Ist das in absehbarer Zeit möglich?

In zwei Jahren sicher nicht, in zehn Jahren schon eher - aber nur, wenn alle mitmachen. Das heißt, unsere Gewerkschaften müssen das den Kollegen im Süden klarmachen, die Verwaltungen und Unternehmer detto, nur so kann es funktionieren. Das war ja auch der große Fehler der Troika aus EU-Kommission, Währungsfonds und Weltbank, dass sie bei ihren Spardiktaten nie die Institutionen und Einstellungen der Menschen berücksichtigt haben. Es müssen sich einfach alle bewegen.

Am 1. Juli tritt Kroatien als 28. Mitgliedsstaat der EU bei, Serbien beginnt seine Beitrittsverhandlungen spätestens im Jänner. Wie aufnahmefähig und -willig ist die EU überhaupt noch?

Die EU muss erst wieder aufnahmefähig gemacht werden. Deshalb gehe ich davon aus, dass in der kommenden Legislaturperiode, also bis 2019, auch kein weiterer Beitritt mehr erfolgt. Island hat seine Pläne auf Eis gelegt, die Türkei kommt derzeit nicht infrage und ich sehe auch keinen weiteren unmittelbaren Kandidaten. Dazu kommt, dass die EU diese Zeit jetzt braucht, um sich neu aufzustellen, die Problemländer müssen sich stabilisieren, die Arbeitslosigkeit muss zurückgehen und Europa muss seine Institutionen neu ordnen.

Was bedeutet das konkret? Die Kommission wird immer größer, der Rat der Regierungschefs hat das Zepter wieder in der Hand . . .

Aus meiner Sicht müssen die Funktionen von Ratspräsident und Kommissionspräsident zusammengelegt werden. Dann brauchen wir zumindest zwei starke Vize-Präsidenten in der Kommission. Die Position von Catherine Ashton als EU-Außenbeauftragte wird ja neu besetzt und es braucht einen ständigen Chef der Euro-Gruppe; das sollte der zuständige Kommissar sein, der dann für alle Währungsfragen zuständig wäre, und kein Vertreter eines Euro-Staates. Auf diese Weise erhielte man ein starkes Trio, eine neue Troika. Wenn man will, kann man statt zwei auch vier Vize-Präsidenten installieren, die etwa für Inneres sowie für Energie, Transport und Umwelt zuständig sein könnten. Darunter könnten die übrigen Kommissare Aufgaben übernehmen. Wenn das so gegliedert wäre, könnte auch jedes Land durchaus seinen Kommissar behalten.

Also eine klare Hierarchisierung innerhalb der Kommission?

Ja, aber informell, alle Kommissare sollten das gleiche Stimmrecht besitzen. Und es dürften diese Spitzenfunktionen nicht nur von den großen Ländern beansprucht werden. Das hätte den Vorteil, dass es keiner Änderung der EU-Verträge bedürfte. Die besten Leuten sollen die wichtigsten Posten bekommen - nach Hearings im Parlament selbstverständlich.

Ist das machbar bis 2019?

Davon bin ich überzeugt. Hier gibt es aus meiner Sicht keine großen Differenzen zwischen den großen Parteifamilien.

Martin Schulz, der deutsche EU-Parlamentspräsident, steht praktisch fest als europäischer Spitzenkandidat der Sozialdemokraten für die EU-Wahlen 2014. Der Spitzenkandidat der stärksten Fraktion soll auch Kommissionspräsident werden. Glauben Sie, dass die anderen EU-Staaten einen Deutschen in diese Funktion wählen?

Ja, bei seinen Besuchen in südlichen EU-Ländern kommt Schulz gut an, weil er eben ein Deutscher ist, aber nicht die Linie von Angela Merkel vertritt. Er ist ein optimaler Kandidat, weil er die deutschen Sorgen kennt und gleichzeitig politisch ein anderes Deutschland repräsentiert.

Sie haben angekündigt, bei den EU-Wahlen nicht noch einmal zu kandidieren. Gilt das noch?

Ich lasse mir die Option offen, noch einmal anzutreten. Es haben mich viele Leute in dieser Hinsicht angesprochen. Ich werde das, wenn die SPÖ ihre Kandidatenliste erstellt, mit Bundeskanzler Faymann besprechen.

Zur Person

Hannes Swoboda (66) ist seit 1996 Mitglied des EU-Parlaments und seit 2012 Vorsitzender der S&D-Fraktion. Der SPÖ-Politiker war zuvor Wiener Planungsstadtrat. Swoboda ist mit der Siemens-Managerin und ehemaligen Staatssekretärin Brigitte Ederer verheiratet.