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Vielleicht ist der Platz zwischen den Stühlen der einzige, den ein Pazifist einnehmen kann. Der Dirigent Daniel Barenboim ist solch ein Pazifist. Seit Jahrzehnten setzt er sich für Völkerverständigung ein, speziell für die zwischen Israel und den Palästinensern, in weiterem Sinn aber auch für die zwischen dem Westen und der muslimischen Welt.
Als Zeichen der Entspannung mit dem Iran verhandelten die Berliner Philharmoniker über ein Konzert in Teheran - und die Wahl des Dirigenten wäre eine völkerverbindende Geste gewesen: Daniel Barenboim. Doch dafür ist der Iran noch nicht reif. Barenboim nämlich ist Jude und israelischer Staatsbürger. Da Israel vom Iran nicht als rechtmäßiger Staat anerkannt wird, sind israelische Staatsbürger Unpersonen. Und wenn sie sich noch so sehr für die muslimische Welt einsetzen. Also sagte der Iran das Konzert ab.
Allerdings hat auch Israel protestiert. Kulturministerin Miri Regev warf Barenboim gar eine "antiisraelische Linie" vor. Barenboim antiisraelisch, weil er Palästinenser als Menschen behandelt? Ein Konzert in Teheran am Ende für Israel staatsgefährdend? Nicht so schlimm wie die iranische Reaktion, aber arg überzogen auch das.
Am schlimmsten aber: Nun heißt es mancherorts, die Berliner Philharmoniker könnten ja den Dirigenten austauschen. Wie bitte? Den Dirigenten austauschen, weil er Jude ist? Das hatten wir doch schon einmal 1000 Jahre lang. Lieber erhobenen Hauptes kein Konzert in Teheran geben - und Daniel Barenboim erfahren lassen, dass der ehrenvolle Platz zwischen den zwei Stühlen bisweilen zum noch ehrenvolleren zwischen Scylla und Charybdis werden kann.