Premiere der Anti-Islam-Bewegung in Österreich: Pegida-Anhänger trafen am Montagabend unter großem Polizeiaufgebot auf viele Gegendemonstranten.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Am Montagabend, zwei Tage nach dem FPÖ-Akademikerball, gingen erstmals auch Pegida-Demonstranten in der Wiener City auf die Straße. Der Österreich-Ableger der "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" (Pegida) möchte die Bewegung nach deutschem Vorbild nun nach Österreich bringen. In Deutschland gingen seit Oktober wöchentlich bis zu 20.000 Anhänger auf die Straße.
Vor Beginn der Demonstration rechnete die Wiener Polizei vage mit 250 bis 300 Teilnehmern. "Wir können noch nichts über das Rekrutierungspotenzial der Bewegung sagen", sagte Polizei-Sprecher Johann Golob zur "Wiener Zeitung". Die Kundgebung, die ursprünglich auf der Mariahilfer Straße angekündigt war, begann um 18.30 Uhr auf der Wiener Freyung. Die Route führte über den Hof, die Bognergasse, den Kohlmarkt, den Graben und zurück über den Michaelerplatz und die Herrengasse in Richtung Freyung. Bis Redaktionsschluss waren keine Details zur Anzahl der Demonstrierenden und zur Demonstration bekannt.
Weit mehr Teilnehmer wurden bei der Gegendemonstration erwartet. "Wir rechnen mit ein paar Tausend", sagt Golob. Die Gegendemonstration wurde von der Offensive gegen Rechts und einigen anderen linken Gruppierungen angemeldet und begann um 16 Uhr beim Museumsquartiert. Der Demo-Zug führte über die Babenbergerstraße über die Kärntnerstraße in Richtung Stephansplatz.
Eigentlich sollten sich beide Demonstrationszüge nicht treffen. Laut Wiener Polizei sind am Abend 1200 Sicherheitskräfte im Einsatz. "Wir rechnen mit friedlichen Demos auf beiden Seiten und setzen auf Deeskalation und Dialog", erklärte Golob. City-Bezirksvorsteherin Ursula Stenzel hoffte in einer Aussendung, dass es in der Innenstadt zu keinen Ausschreitungen kommt. Sie forderte, dass die Demo-Veranstalter nach Schweizer Vorbild für Schäden haften sollen.
Pegidas erster Eindruck
Für den Österreich-Ableger der Pegida entscheidet der angekündigte Spaziergang über Sein und Nichtsein. "Zieht euch bitte etwas Herzeigbares an, benehmt euch gesittet, lasst euch nicht provozieren und seid kooperativ mit unseren zahlreichen Ordnern und absolut loyal zur Polizei! Wir müssen heute einen astreinen und guten Eindruck machen. Für Pegida Österreich hängt von diesem ersten Eindruck, den die Öffentlichkeit heute von uns gewinnt, sehr viel ab", postete Pegida Wien auf ihrer Facebook-Seite im Vorfeld der Demonstration.
Noch vor dem ersten öffentlichen Auftritt hatte Pegida in Österreich mit Imageproblemen zu kämpfen. Wie Recherchen der "Wiener Zeitung" ergeben haben, soll die Veranstaltung von einem amtsbekannten, dem rechtsextremen Lager zugeordneten Fußballhooligan angemeldet worden sein Der Steirer Arnold S. soll aus dem Umfeld des als rechtsextrem eingestuften Fanblocks "Unsterblich" stammen, wie informierte Kreise bestätigen. Das Gesicht von Pegida Wien ist Georg Immanuel Nagel. Bisher war er Stammautor bei den rechten Blättern "Zur Zeit", herausgegeben von Wendelin Mölzer, und "Der Eckhart". Er hat auch Beiträge für das deutsche rechte Magazin "Blaue Narzisse" verfasst.
In der Öffentlichkeit gibt sich die Bewegung betont bürgerlich, nicht rassistisch und "überparteilich". Die Texte Nagels klingen da schon etwas kämpferischer. In "Der Eckhart" beklagt er, dass die "Völker Europas" durch Massenzuwanderung "zerstört" würden. "Jede Kritik an diesem gleichermaßen irrwitzigen wie verbrecherischen Vorhaben wird von allen möglichen Institutionen mit der Nazikeule niedergebügelt", schreibt Nagel. Er war von der "Wiener Zeitung" im Vorfeld der Demo für keine Stellungnahme zu erreichen.
Keine Schützenhilfe von FPÖ
"Ich rechne der Bewegung in Österreich keine großen Chancen aus. Die Themen sind schon durch die FPÖ und die Identitären abgedeckt", sagt ein Sprecher des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands (DÖW) im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Außerdem weise die Pegida in Deutschland schon Zerfallserscheinungen auf. Der Mitbegründer Lutz Bachmann musste nach dem Eklat um ein Hitler-Selfie zurücktreten. Nach internen Streitereien hat sich auch die Pegida Dresden als eigene Gruppe abgespaltet.
Und in Österreich? Obwohl FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache seine Sympathien für die Inhalte und Werte der Bewegung kundgetan hat, will die Partei die Bewegung nicht unterstützten. "An und für sich braucht es in Österreich keine Pegida, weil es die FPÖ gibt", sagt FPÖ-Sprecher Martin Glier zur "Wiener Zeitung". Auch wenn ein paar Parteimitglieder die Demo privat besuchen, unterstütze die FPÖ den Pegida-Marsch jedenfalls nicht.
Auch von der als rechts eingestuften Identitären Bewegung, die im Mai des Vorjahres in Wien marschiert ist, kommt nur sehr zurückhaltende Unterstützung. "Ein paar von uns werden sicherlich als Privatpersonen an der Kundgebung teilnehmen, aber wir werden nicht als Identitäre dort auftreten", sagt der Obmann der Identitären, Alexander Markovics, zur "Wiener Zeitung". Nagel sei auch nie Mitglied der Identitären gewesen, sondern habe nur ein paar Veranstaltungen besucht.
Kritik an der Pegida-Kundgebung kommt vom DÖW, das hinter dem Deckmantel der Islamismus-Kritik eine neue Form der rechten und islamophoben Hetze ortet. Auch die Grünen und die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich kritisieren Pegida dafür, dass es Ängste schüre und die Stimmung zusätzlich aufheize. Die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Tanja Windbüchler, hofft, dass Pegida hier ein "einmaliges Schauspiel" bleibt.