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Pegida siecht dahin

Von Alexander Dworzak

Politik

Protestbewegung mobilisiert beim Comeback ihres Initiators nicht einmal ein Zehntel der früheren Anhängerschaft und schrumpft auf die Frustbürger.


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Dresden/Wien. "Ich bin wieder hier", sagte Hubsi Kramer im Jahr 2000. Verkleidet als Adolf Hitler, betrat der Schauspieler und Theatermacher das Foyer der Wiener Staatsoper; er demonstrierte damals beim Opernball gegen die frisch gekürte schwarz-blaue Regierung. Auch Lutz Bachmann hat Erfahrung als Hitler-Imitator. Den Initiator von Pegida kostete ein entsprechendes Foto beim Friseur, das er auf Facebook stellte, und fremdenfeindliche Postings seinen Platz bei den selbsternannten "Patriotischen Europäern gegen die Islamisierung des Abendlandes". Nach deren Spaltung ist Bachmann "wieder hier" - am Rednerpult in Dresden, der Hochburg der Protestbewegung.

Noch vor einem Monat kamen 25.000 Demonstranten in die sächsische Landeshauptstadt. Am Montagabend lauschten lediglich 2000 Personen Bachmann. Der vorbestrafte Inhaber einer Fotoagentur relativierte dabei seine eigenen Postings, in denen der 41-Jährige Asylbewerber als "Viehzeug", "Gelumpe" und "Dreckspack" bezeichnet hatte. Den Soulsänger Xavier Naidoo bezeichnete Bachmann im Kurznachrichtendienst Twitter als "Kameltreiber", den deutschen Fußball-Bundestrainer Joachim Löw nach Verlängerung dessen Vertrags als "Bundesschwuchtel". Er habe Worte gewählt, von denen er sicher sei, "das jeder, wirklich jeder von uns sie schon einmal am Stammtisch benutzt hat", verteidigt sich Bachmann nun.

"Als immergleicher, guter, alter, deutscher Mensch"

Nachdem die Fassade als breite Bürgerbewegung nicht mehr zu halten ist, konzentriert sich Pegida auf Weltverschwörungstheoretiker und Frustbürger - jene, die sich zu kurz gekommen fühlen. Dementsprechend war der Ton am Montag. Als Gastrednerin trat Tatjana Festerling auf. Sie erregte im Herbst vergangenen Jahres Aufmerksamkeit, lobte die Demonstration der "Hooligans gegen Salafismus": "Heute Abend ziehe ich meinen Hut vor den Hools." Die Euro-feindliche Alternative für Deutschland (AfD) wollte ihr Mitglied Festerling daraufhin loswerden - erfolglos. Sie kehrte nun der Partei den Rücken. Bei ihrem Auftritt in Dresden bezeichnete Festerling die SPD als "Sharia Partei Deutschlands", argwöhnte, die linke Antifa und die rechte NPD seien gezielt von der politische Klasse platziert, um das Volk in der Mitte zu regulieren.

In dieser Tonart setzte sich die Pegida-Rednerliste fort. Der Publizist Götz Kubitschek wandte sich "gegen die Ideologie vom jederzeit austauschbaren Menschen in der neuen Heimat", den die Globalisierung hervorrufe. Stattdessen: "Die Verachtung des Eigenen muss ein Ende haben. Wir sind bereit, als der immergleiche, gute, alte, deutsche Mensch unser Bestes zu geben."

Treudeutsch und gegen Multikulti zu sein sind Dauerbrenner im Pegida-Programm. Dazu kommt die immer stärkere Kritik an der Westausrichtung der Bundesrepublik.

"Ami go home",skandiert das Publikum

Sympathiebekundungen für Russlands Präsidenten Wladimir Putin und seine Ukraine-Politik waren seit Oktober 2014, dem Start der Pegida-Demonstrationen, zu vernehmen. Mittlerweile stimmen die Teilnehmer in "Druschba, Druschba"-Chöre ein. Jene, die sich vor vermeintlicher "Überfremdung" fürchten, skandieren auf Russisch "Freundschaft". Lutz Bachmann weiß, was sein Publikum wünscht: Er zaubert als Überraschungsgast eine Russin namens Anastasia - Nachname unbekannt - aus dem Hut. Die rund 45 Jahre alte Frau wettert gegen die "Washington-hörige Regierung in Berlin", diese vertrete amerikanische, nicht deutsche Interessen. "Ami go home!", grölen die Pegidisten daraufhin. Anastasia beklagt auch, die Freiheit der Krim-Bürger, zu Russland zu gehören, würde nicht anerkannt. Tatsächlich haben in der UN-Vollversammlung im März vergangenen Jahres 158 von 169 abstimmenden Staaten für die territoriale Integrität der Ukraine gestimmt oder waren neutral. Mit Russland votierten lediglich traditionelle Verbündete wie Syrien, Venezuela und Nordkorea.

Neben Pegida stürzen auch die Ableger im Ausland ab - wie zuletzt in Wien. Am Montag fanden sich im schwedischen Malmö nur 30 Anhänger ein, ihnen standen bis zu 4000 Demonstranten gegenüber. Kaum besser geht es Kathrin Oertel, die sich von Pegida losgesagt hat und nun "Direkte Demokratie für Europa" mit moderateren Tönen vorantreibt. Zu ihrer Kundgebung kamen 500 Personen. Oertel will sich rechts neben der CDU positionieren. Dort ist jedoch bereits die AfD.