Ein Ex-CDUler hat gute Chancen, Bürgermeister von Meißen zu werden - mit Unterstützung der Linken.
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Kann in einer rechten Hochburg ein Linker regieren? In Meißen stehen die Chancen dafür nicht schlecht. In der sächsischen Porzellanstadt hat die rechtspopulistische AfD bei der Bundestagswahl 2017 mit 32,9 Prozent der Stimmen klar vor der CDU mit 26,1 Prozent gewonnen. Nun hat aber Frank Richter den ersten Wahlgang zum Bürgermeister gewonnen. Zwar tritt Richter als Parteiloser an, doch unterstützt wird der 58-Jährige dabei von der SPD, den Grünen und der Linkspartei. Wobei: Das mit dem Links ist so eine Sache. Denn einem politischen Lager zuordenbar ist Richter nicht so einfach. Noch dazu, wo er jahrelang und noch bis vor einem Jahr Mitglied der CDU war. Doch der Austritt war nur der letzte Höhepunkt eines Lebens voll bemerkenswerter Wendungen. Nach Matura und Wehrdienst in der DDR studierte Richter Theologie und wurde 1987 katholischer Priester. Zwei Jahre später erlangte er lokale Berühmtheit als Gründer der "Gruppe der 20". Die entstand im Rahmen der Proteste, in denen die Bürger Ostdeutschlands mehr Freiheiten von ihrem kommunistischen Regime forderten. Als erster oppositioneller Gruppierung gelang es ihr, offiziell, Gespräche mit der Staatsmacht zu führen. Nach dem Fall der Mauer trat Richter der CDU bei. Er wurde Diözesanjugendseelsorger, Pfarrer und Referent für Religion und Ethik. Im Alter von 45 Jahren ließ er sich laisieren und heiratete. Seine Berufung verlor er dadurch aber nicht. So wechselte er als Pfarrer zur Altkatholischen Kirche. 2009 wurde er Direktor der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung. Mit den Protesten und Ausschreitungen gegen Asylanten in Sachsen profilierte er sich zunehmend als Vermittler und Moderator. Er bemühte sich stets, beide Seiten in einen Dialog einzubinden. Das brachte ihm einerseits den Ruf als "Pegida-Versteher" (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes) ein, andererseits wurde er auch als "bester Diplomat, den wir in Dresden haben" bezeichnet. Nach der jüngsten Gewalteskalation in Chemnitz führte er das xenophobe Phänomen in Ostdeutschland auf den "Wegzug von jungen, engagierten, politisch interessierten, intelligenten Leuten" zurück, wie er gegenüber dem Fernsehseder NTV erklärte. Dadurch verschwinde die bürgerliche Mitte. "Wenn sie dünner und dünner wird, geht die verbindende Kraft verloren. Das stärkt die politischen Ränder", so Richter. Auch das vielgepriesene Konzert der Toten Hosen gegen Rassismus sieht er differenziert: "Das ist erstmal ein Beleg dafür, dass 10.000 Menschen die Toten Hosen gut finden. Das belegt nicht, dass sie überzeugte Demokraten sind." Ob ihm diese Haltung den Weg zum Bürgermeister ebnen wird, wird sich im zweiten Wahlgang am 23. September weisen.