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Enthüllungen des israelischen Ex-Finanzministers Yaacov Neeman haben deutlich gemacht, wie angeschlagen die Glaubwürdigkeit von Premier Benjamin Netanyahu sogar unter den Ministern seiner
Regierung ist. Der vor zwei Monaten zurückgetretene Neeman erklärte in einem von "Yediot Aharonot" am Montag veröffentlichten Interview, daß der am Wochenende entlassene Verteidigungsminister Yitzhak
Mordechai nicht das einzige Kabinettsmitglied war, das von Netanyahu eine schriftliche Zusage für die Zeit nach den Wahlen im Mai verlangt habe.
Netanyahu hatte der Öffentlichkeit am Sonntag bekanntgegeben, daß Mordechai von ihm eine "schriftliche Garantie" für sein Verbleiben an der Spitze des Ressorts verlangt habe. Neeman, der als enger
Vertrauter Netanyahus gilt und auch dessen Rechtsanwalt ist, erklärte nun, daß auch andere Minister, darunter Außenminister Ariel Sharon und Kommunikationsministerin Limor Livnat, solche
schriftlichen Verträge gefordert · und erhalten hätten. Der Jurist deutete an, daß er an der Formulierung solcher Verträge beteiligt gewesen sei. Dabei habe es sich um persönliche
Einzelvereinbarungen und nicht um Koalitionsabmachungen gehandelt.
Mehrere Minister hatten sich laufend darüber beklagt, daß der Ministerpräsident sie nicht ausreichend informiere und oft in ihre Ressortangelegenheiten dazwischenfunke. Einer von ihnen war der
stellvertretende Ministerpräsident Moshe Katzav, zugleich Tourismusminister, der eine präzise Definition seines Aufgabenbereiches und seiner Befugnisse forderte.
In den schriftlichen Verträgen einiger Minister wurden klare Kompetenzabgrenzungen formuliert, um eventuelle Mißverständnisse und Einmischungen des Ministerpräsidenten in ihre Amtsbefugnisse zu
verhindern.
Der parteiunabhängige Neeman war vor zwei Monaten aus Protest gegen die "Verantwortungslosigkeit der Koalitionspartner" zurückgetreten. Er reagierte damit auf die pauschale Ablehnung seiner
wirtschaftlichen Refomvorschläge.
Der frühere Vize-Generalstabschef Matan Vilnai, der sich vor einigen Tagen der oppositionellen Arbeiterpartei angeschlossen hat, gab unterdessen bekannt, daß Netanyahu ihm bereits vor Wochen das Amt
des Verteidigungsministers "in absehbarer Zeit" in Aussicht gestellt habe. Außenminister Sharon lehnte den Vorschlag Netanyahus, das Verteidigungs-Portefeuille zu übernehmen, ab. Mordechai bestreitet
unterdessen weiter, daß er jemals von Netanyahu eine "Garantie" gefordert habe, auch in einer zukünftigen Likud-Regierung als Verteidigungsminister zu fungieren, und erklärt, daß
Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und dem Premier sich nur auf wichtige politische Pläne und Entscheidungen bezogen hätten.