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Brüssel - Die Peitsche bleibt vorerst im Schrank. Trotz Sorge um den Ausgang der italienischen Parlamentswahl am kommenden Sonntag will in der Europäischen Union niemand von möglichen Sanktionen gegen Rom reden. Abwarten, lautet die Devise. Nach ihren schlechten Erfahrungen mit Österreich wollen sich die EU-Staaten nicht mehr so schnell auf eine Strafaktion einlassen.
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Doch die Aussicht, dass bei dem möglichen Wahlsieg der italienischen Rechten der umstrittene Multimilliardär Silvio Berlusconi sowie neofaschistische und fremdenfeindliche Parteien in Rom die Macht übernehmen, hat die EU-Staaten durchaus in Unruhe versetzt. Berlusconi und seine Koalition müssen sich daher auf intensive Beobachtung gefasst machen, sollten sie den Sieg erringen.
Zu rechnen ist nach Einschätzung von Diplomaten mit ungewohnt kritischen und besorgten Kommentaren aus den Hauptstädten. So hat der deutsche Innenminister Otto Schily (SPD) bereits indirekt Kritik an Berlusconi geübt und vor Interessenskonflikten gewarnt, sollte der Medienunternehmer Regierungschef werden. Der Milliardär, der seine Partei nach einem Fußball-Schlachtruf Forza Italia ("Vorwärts Italien") benannte, ist auch so manchem Regierungschef ein Dorn im Auge. Die europäische Einigung gehört jedenfalls nicht zu seinen wichtigsten Zielen. Die EU droht daher nach Ansicht eines Brüsseler Diplomaten am Sonntag "einen besonders positiven Partner zu verlieren".
Hinzu kommt in Brüssel die Sorge um die zwei möglichen Koalitionspartner: die neofaschistische Nationale Allianz von Gianfranco Fini und die rechtspopulistische Lega Nord von Umberto Bossi. Abgestimmte Reaktionen der gesamten EU aber oder gar eine gemeinsame Erklärung der 14 übrigen Länder sind nicht zu erwarten. "Das wird den einzelnen Regierungen überlassen", heißt es in Brüssel.
Der Einzige, der bisher Sanktionen gegen Rom ins Spiel brachte, ist Belgiens Außenminister Louis Michel. Inzwischen muss sich Michel aber zurückhalten - Belgien übernimmt am 1. Juli die Präsidentschaft in der EU. "Lasst uns alle auf die Ergebnisse warten", wiegelte er beim Treffen der EU-Außenminister am vergangenen Wochenende in Schweden ab.
Auf ein neues Abenteuer Sanktionen kann die EU nach der Erfahrung mit Österreich gut verzichten.
Inzwischen hat die Union ihre Instrumente verfeinert. Demonstrativ verwies der künftige EU-Ratsvorsitzende, Belgiens Premier Guy Verhofstadt, auf das neue System, das sich die EU in Nizza gegeben hat. Demnach kann die EU bei der "eindeutigen Gefahr einer schwer wiegenden Verletzung" von Grundrechten einen Überwachungs- und notfalls auch Strafmechanismus auslösen.
Allerdings ist diese Vertragsänderung noch nicht in Kraft. Doch der Verweis Verhofstadts zeigt, dass einer möglichen Regierung Berlusconi aufmerksame Beobachtung gewiss ist. "Da darf es dann nichts Schiefes geben", formuliert ein EU-Diplomat.