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Der Außenpolitische Ausschuß im Parlament wurde am 20. Oktober von Außenminister Wolfgang Schüssel über die Abberufung des österreichischen Botschafters in Peking, Gerhard Ziegler,
informiert. Die Parlamentarier machen jetzt Vorschläge, wie künftig Fehlbesetzungen vermieden werden könnten:
Angenommen, ein Persönlichkeitsprofil lautet: Schlechtes Benehmen in der Öffentlichkeit, Kontakt zu Prostituierten, überhöhte Spesen, mangelnde Organisationsfähigkeit . . . · wer würde da auf den
Inhaber eines diplomatischen Spitzenpostens schließen? · Aber genau dieses Fehlverhalten wird dem österreichischen Botschafter in Peking, Gerhard Ziegler, vorgeworfen. Botschafter Ziegler wurde von
seinem Posten abberufen und nach Wien zurückbeordert. Hier sind im Außenamt disziplinarrechtliche Untersuchungen eingeleitet worden. Ziegler bestreitet alle diese Vorwürfe.
Auslösendes Moment für die Abberufung war im Frühjahr 1998 der Besuch des Wiener Bürgermeisters Michael Häupl und des Wiener Wirtschaftskammerpräsidenten Walter Nettig. Die Versuche, österreichische
Waren effizient zu präsentieren und mit dem Bürgermeister von Peking ausführliche Gespräche zu führen, sollen an der mangelnden Organisationsfähigkeit des Botschafters gescheitert sein. Dazu kamen
Vorwürfe über persönliches Fehlverhalten.
In Peking wurde als Exportartikel ein "Wiener Opernball" inszeniert. Auch bei dieser Veranstaltung soll der österreichische Botschafter mangelndes Taktgefühl bewiesen haben. Das hatte Folgen:
Der Wiener Bürgermeister und der Wirtschaftskammerpräsident beschwerten sich gemeinsam beim obersten Dienstherren des Botschafters, Bundespräsident Thomas Klestil. Das Außenamt wurde aktiv und
schickte den Ex-Botschafter Nikolaus Horn zur Untersuchung der Vorwürfe nach Peking. Botschafter Ziegler weist alle Vorwürfe zurück und sieht sich als Opfer.
Gerhard Ziegler, Jahrgang 1948, war von 1988 Pressesprecher des damaligen Außenministers Alois Mock und bis 1995 Leiter der Presseabteilung im Außenministerium. 1996 wurde mit Gerhard Ziegler der
Botschafterposten in China neu besetzt. Das löste schon damals Kritik aus. Hauptkritikpunkt: Diplomatische Unerfahrenheit. So ein wichtiger Botschafterposten im Milliardenmarkt China dürfte nicht mit
einem Neuling besetzt werden, der noch keine Erfahrungen als Botschafter in anderen Ländern erwerben konnte.
Auswahlkriterien
Am 20. Oktober wollten die Abgeordneten im Außenpolitischen Ausschuß über den Stand der Ermittlungen von Außenminister Wolfgang Schüssel informiert werden. Der Vorsitzende des Ausschusses, Peter
Schieder, erklärte danach, der Außenminister habe den Abgeordneten mitgeteilt, daß
Õ die Vorwürfe zum erstenmal vom Herrn Bundespräsidenten übermittelt wurden
Õ die Mehrzahl der Gerüchte zutreffend sind
Õ die Gegendarstellung des Betroffenen nicht befriedigend ist
Õ die Abberufung des Botschafters Ziegler mit 5. November 1998 verfügt und der Botschafterposten neu ausgeschrieben wurde.
Der Ausschuß sei zufrieden, daß rasch gehandelt wurde, wenn auch Details der Vorwürfe aus dem Untersuchungsbericht mit dem Hinweis auf die Amtsverschwiegenheit nicht bekannt gemacht wurden.
Fehlverhalten diskutieren
FPÖ-Klubobmann Jörg Haider meint, daß alle Fehlverhalten diskutiert werden sollten und sieht sich und seine Partei als Opfer parteipolitischer Besetzungen von Botschafterposten. Nach seinen
Angaben soll eine Botschafterin in London sich in einem Vortrag bei den Zuhörern dafür entschuldigt haben, daß in Österreich die FPÖ bei Wahlen so viele Stimmen erhält. Botschafter müßten
überparteilich sein, meint Haider und behauptet, daß die Freiheitlichen nicht nach Parteibuch, sondern nach Qualifikation Spitzenposten besetzen würden.
Der ehemalige Außenminister Alois Mock mußte sich im Ausschuß die Vorwürfe gegen seinen ehemaligen Pressesekretär Ziegler anhören. Mock erinnert sich, Ziegler sei damals "ein hervorragender
Mitarbeiter" gewesen. Die Vorwürfe wolle er nicht kommentieren sondern erst die Endergebnisse der laufenden Untersuchungen im Außenamt abwarten, sagte Mock.
Ein Neuling sei kein Hindernis für die Besetzung von Spitzenposten und allgemein: "Es sind einige sehr jung in die Regierung gekommen und waren ein Erfolg. Andere sind sehr jung in die Regierung
gekommen und waren kein Erfolg. · Das gilt auch für die Verwaltung."
Hearings
Die Liberalen hatten schon zuvor eine parlamentarische Anfrage an Außenminister Schüssel gerichtet. Sie verlangen die Veröffentlichung der Untersuchungsergebnisse im Falle Ziegler und eine
Aufschlüsselung der Auswahlverfahren bei der Besetzung von wichtigen Botschafterposten.
Die Hearings im US-Senat sollten künftig Vorbild für das österreichische Parlament bei der Besetzung sein. In Parlamentshearings sollten Kandidaten auf ihre Erfahrungen, ihr Wissen über das
betreffende Land und ihre Eignung für den Posten abgetestet werden.
Für das Liberale Forum wünscht sich die Abgeordnete Martina Gredler: "Es ist nicht einzusehen, daß bei der Vergabe von Posten die Parteipolitik und der Proporz im Vordergrund stehen. Es müßten mehr
Ausbildung und Begabung entscheidend sein. Es gibt genügend hervorragend begabte Beamtinnen und Beamte."
"Versorgungsposten"
Die Abgeordnete der Grünen, Doris Kammerlander, wünscht sich mehr Transparenz bei der Vergabe von Botschafterposten: "Botschafter Ziegler war eine politische Berufung. Ich möchte wissen, nach
welchen Kriterien hier ausgewählt wurde. Ist die Versorgung von politischen Sekretären dringlicher als die sorgfältige Auswahl für solche Botschafterpositionen."
Kammerlander ist gegen ein parlamentarisches Hearing, denn das wäre wieder ein politisches Besetzungsverfahren durch die Mehrheit im Parlament. Als Vorbild für Besetzungsverfahren sollte die
Personalausleseverfahren für Spitzenpositionen in der Privatwirtschaft dienen.
"Kein Kommentar"
Österreich hat 102 Vertretungsbehörden im Ausland. Um Botschafter zu werden, muß man A-Beamter im Außenministerium sein und die Aufnahmsprüfung für den "höherwertigen Dienst" bestanden haben. Nach
vier Dienstzuteilungen nach je vier Jahren sind die Voraussetzungen für einen Botschafterposten abgedient.
Das Diplomatenbild hat sich gewandelt, meint der Direktor der Diplomatischen Akademie, Paul Leifer: "In den Medien gibt es noch das Bild vom Diplomaten, der nur auf Cocktailparties herumsteht. Das
Bild ist überholt."
Die Akademie bietet Universitätsabsolventen weiterführende Studien an. Danach können sich die Absolventen im Außenamt bewerben. Diplomatie findet verstärkt auf anderen Ebenen statt: So werden zwei
Drittel der Absolventen der Diplomatischen Akademie von internationalen Organisationen oder multinationalen Konzernen abgeworben.
Nur ein Drittel geht in den klassischen Diplomatischen Dienst. Doch dieser Dienst ist einem Bedeutungswandel unterworfen "Was sollen Depeschen im Zeitalter von CNN und Internet?"
Aktuelle Diskussion: Wie sollen die Aktivitäten von Wirtschafts-, Kultur- und Außenministerium sinnvoll koordiniert werden. Soll alles über einen Tisch laufen · "Desk-Modell" · und wie können künftig
kostspielige Mehrgeleisigkeiten vermieden werden. Den aktuellen Fall Ziegler will der erfahrene Diplomat Leifer nicht kommentieren.Õ
Ferdinand Krenn ist Mitarbeiter der ORF-Parlamentsredaktion
NOVEMBER 1998