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Peking rückt von seiner harten Tibet-Politik nicht ab

Von Klaus Huhold

Politik

Erneute Selbstverbrennung holt künftigen KP-Chef Xi bei USA-Besuch ein.


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Lhasa. Er rief Parolen gegen die chinesische Regierung und zündete sich selbst an. Lobsang Gyatso protestierte Anfang der Woche mittels Selbstverbrennung gegen Chinas Tibet-Politik, so wie es vor ihm schon mehr als 20 Tibeter innerhalb des Zeitraumes von einem Jahr getan hatten. Chinesische Sicherheitskräfte hätten die Flammen gelöscht und den 19-Jährigen dabei "schwer geschlagen", berichteten nun Exiltibeter und die Aktionsgruppe International Campaign for Tibet. Sein weiteres Schicksal sei ungeklärt.

Die Nachricht von der erneuten Selbstverbrennung holte am Dienstag den chinesischen Vizepräsidenten Xi Jinping bei seinem Besuch in den USA ein. Die Vereinigten Staaten hatten schon in den vergangenen Wochen Chinas "kontraproduktive Politik" für die unruhige Lage in Tibet verantwortlich gemacht. Und auch beim Besuch des künftigen Parteichefs der KP, der bis Donnerstag dauert, soll das Thema nicht unter den Tisch fallen.

Generell bedient sich die chinesische Regierung aber immer der gleichen Rhetorik, wenn es um Unruhen in Tibet geht: Diese würden von der "exiltibetischen Clique" rund um den Dalai Lama angefacht werden. Dass sich etwas an Pekings Tibet-Poltik ändert, wenn Xi im Laufe dieses Jahres das Ruder in der Partei übernimmt, gilt als unwahrscheinlich. Seine Haltung soll sich nicht sonderlich von der bisherigen harten Linie unterscheiden.

Die KP hat politischen Analysten zufolge gegenüber den Tibetern denselben Zugang wie gegenüber anderen Minderheiten, etwa den Uiguren: Proteste werden nicht als Anzeichen für Fehlentwicklungen gesehen, sondern als Angriff auf den Staat. Kulturelle Freiheiten wie eine uneingeschränkte Religionsausübung unterdrückt die KP, dafür pumpt sie viel Geld in die Region. Wirtschaftlicher Fortschritt soll die Rufe nach kultureller Autonomie zum Verstummen bringen.

Doch das Kalkül ging nicht auf. Zwar wurden in den vergangenen Jahren tatsächlich viele Schulen, Krankenhäuser und Straßen in den von Tibetern bewohnten Regionen gebaut und auch ein paar tibetische Aufsteiger profitierten vom wirtschaftlichen Fortschritt. Doch großteils flossen die Gelder in die Taschen von zugezogenen Han-Chinesen, die von einigen Tibetern ohnehin als Invasoren angesehen werden.

Mönche sind Kampagnen zur Umerziehung ausgesetzt

Zudem empfinden die Tibeter die ständigen Angriffe Pekings gegen den Dalai Lama als Provokation. Das zeigt sich etwa im Kloster Kirti in der Provinz Sichuan. Lobsang Gyatso, der sich nun angezündet hat, stammte aus diesem Kloster, und schon vor ihm sollen sich mindestens sechs Mönche aus Kirti selbst verbrannt haben. Das Kloster ist eines der Zentren des tibetischen Buddhismus und genau dort führen die chinesischen Behörden laut exiltibetischen Quellen gerade eine ihrer gefürchteten Umerziehungskampagnen durch, bei denen die Mönche gezwungen werden, sich vom Dalai Lama loszusagen.

Die Selbstverbrennungen sind eine neue Protestform, die es in den Jahrzehnten davor unter Tibetern nicht gegeben hat. Peking verlangt vom Dalai Lama, dass er sie verurteilt. Das spirituelle Oberhaupt der Tibeter hat die Selbstverbrennungen zwar als beklagenswert bezeichnet. Gleichzeitig hat er aber den "kulturellen Völkermord" der Chinesen für die Verzweiflungstaten verantwortlich gemacht.

Aber nicht nur Selbstverbrennungen gab es in den vergangenen Wochen, sondern auch Straßenproteste. Dabei wurden laut Exiltibetern mindestens sieben Demonstranten erschossen, als die Polizei die Proteste niederschlug. Das Staatsfernsehen sprach davon, dass sich die Sicherheitskräfte selbst verteidigt hätten.

Zentrum der Unruhen ist dabei nicht wie in der Vergangenheit die "Autonome Region Tibet", sondern die angrenzende Provinz Sichuan, in der vor allem im Westen viele Tibeter leben. Sichuan war lange Zeit eine sehr ruhige Gegend, in der großteils auch nicht so harte Maßnahmen durchgeführt wurden wie in der "Autonomen Region Tibet". Doch vor etwa einem Jahrzehnt begannen die Behörden laut Beobachtern auch in Sichuan, Mönche immer mehr zu drangsalieren, wodurch sie die tibetische Bevölkerung zusehends gegen sich aufbrachten.