Zum Hauptinhalt springen

Peking schickt seine Truppen aus

Von Gerhard Lechner

Politik

Sieben Staaten rittern erbittert um den Besitz zweier Inselgruppen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Peking.

Die Spratly- und die Paracel-Inseln im Südchinesischen Meer scheinen eher für Seeschildkröten und Vögel geschaffen zu sein als für den Menschen: Ein Großteil der mehr als 200 Atolle, Sandbänke und Felserhebungen geht bei Flut unter; von den zwölf Hauptinseln weisen nur sieben eine Ausdehnung von mehr als einem halben Quadratkilometer auf. Stürme peitschen über die Inseln. An Landwirtschaft ist nicht zu denken. Kein Wunder, dass die Spratlys und die Paracels jahrhundertelang nur als Hindernis für die West-Ost-Schifffahrt wahrgenommen wurden.

Das hat sich mittlerweile gründlich geändert: Zwar stranden immer noch Schiffe - wie jüngst Mitte Juli ein chinesisches Kriegsschiff innerhalb der Wirtschaftszone der Philippinen. Doch ringen die Anrainerstaaten des Südchinesischen Meeres nun bereits seit Jahrzehnten mit Vehemenz um den Besitz der begehrten Inseln. China, Taiwan und Vietnam beanspruchen jeweils sämtliche Spratlys und Paracels; die Philippinen, Malaysia und das Sultanat Brunei fordern immerhin Teile des Spratly-Archipels. Auch Indonesien ist in den Konflikt verwickelt, weil sich die weit gesteckten Ansprüche, die Peking mit der sogenannten "ersten Inselkette" angemeldet hat, mit der 200-Meilen-Zone um die indonesische Insel Natuna überschneiden. Und dort liegt eines der größten Erdgasvorkommen der Welt.

Es ist also der Hunger nach Rohstoffen, der den Konflikt zwischen dem aufstrebenden Riesen China und seinen kleineren Nachbarn in den letzten Jahren spürbar angeheizt hat. Chinesische Geologen glauben, in den umstrittenen Gebieten würden rund 213 Milliarden Fässer Öl lagern. Das entspräche etwa 80 Prozent der erschlossenen Reserven des Ölförderstaats Saudi-Arabien. Und Pekings Hunger nach Öl ist groß, gehen doch seine eigenen Reserven im mandschurischen Daqing bald zur Neige. Dementsprechend ist von der Zurückhaltung, die Peking noch zu Beginn des neuen Jahrtausends pflegte - als man sich ostentativ bemühte, mit einer freundlichen Nachbarschaftspolitik die empfindlichen Nachbarn nicht zu vergrämen -, mittlerweile nur noch wenig übrig.

"Nicht verhandelbar"

Seit Jahren heißt es aus Peking, Chinas Ansprüche auf die erste Inselkette seien "nicht verhandelbar". Und nachdem wieder einmal ein Treffen der südostasiatischen Staatengruppe Asean, die alle Anrainerstaaten des Südchinesischen Meeres bis auf China umfasst, ergebnislos zu Ende gegangen war, verschärfte Peking die Gangart und steckte seine Claims in der Region ab: Man plane die Stationierung einer Garnison der Volksbefreiungsarmee auf einer der Paracel-Inseln, erklärte die Regierung in Peking zu Wochenbeginn. Ein Flughafen ist vorhanden: Bereits 1990 wurde auf einer der kleinen Inseln eine für Kampfflugzeuge geeignete 2,7 Kilometer lange Landebahn gebaut.

Bei den übrigen Anrainerstaaten löste die chinesische Machtdemonstration Besorgnis aus. Schon zum dritten Mal im Monat kam es in der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi zu Protesten gegen Pekings Politik. Auch in Manila regt sich Unmut, Präsident Benigno Aquino meinte, die Philippinen könnten nicht hergeben, was ihnen rechtmäßig gehöre.

Freilich lässt sich das Vorgehen Chinas auch als Reaktion auf das Verhalten insbesondere Vietnams interpretieren: Hanoi hatte noch im Juni ein neues Seerecht in Kraft gesetzt, das die Inseln als Bestandteil Vietnams festschreibt.

Rivalität China-USA

Nun sehen Südostasien-Experten wie Paul Quinn-Judge von der NGO "International Crisis Group", bereits die Möglichkeit eines Krieges am Horizont herausziehen - falls nicht doch noch ernsthaft verhandelt wird. Bis jetzt hatte sich Peking jedoch immer geweigert, einer multilateralen Lösung des Konflikts zuzustimmen, hatte bilaterale Gespräche vorgezogen, weil es darin der Stärkere war. Bis jetzt - denn Gerhard Will von der deutschen Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) will Anzeichen vernommen haben, dass Peking mit der Asean-Gruppe um eine Lösung verhandeln könnte. "Vorausgesetzt, die USA bleiben draußen", sagte der Asien-Experte der "Wiener Zeitung". Dem geopolitischen Hauptrivalen, der unter Präsident Barack Obama sein Asien-Engagement deutlich verstärkt hat, will die Führung in Peking keine Chance geben, sich in Ostasien als Schiedsrichter zu profilieren. Die Asean-Staaten fürchten hingegen eher die Dominanz des nahen China als des fernen Amerika: Vietnam hat mit dem Ex-Kriegsgegner USA sogar schon gemeinsame Übungen abgehalten.

Chinesen wollen Kanadas Öl