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Pendler aus dem Osten fehlen im eigenen Land

Von Claudia Peintner

Wirtschaft
"Ich bleibe in Polen, kommt zahlreich": Polens Tourismusverband warb 2005 mit diesem Installateur um Urlauber aus Frankreich - mit Erfolg, wie spätere Touristikzahlen belegten. Foto: Polnisches Fremdenverkehrsamt

Ärzte und Pfleger zieht es von Ungarn nach Großbritannien. | Öffnung berührt Arbeitslosenzahlen und Lohnniveau kaum. | Wien. Ab Mai 2011 ist die Schonzeit vorbei. Der österreichische Arbeitsmarkt steht für Arbeitnehmer aus Estland, Lettland, Litauen, Polen, der Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn offen. 2014 folgen Rumänen und Bulgaren. Weder ein Aufenthaltstitel noch eine Beschäftigungserlaubnis sind dann noch erforderlich.


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Während Kritiker im Vorfeld der Arbeitsmarktöffnung vor einem Ansturm billiger Handwerker in die Alpenrepublik warnen, plagen jene Länder, die 2004 der EU beigetreten sind, ganz andere Sorge: "Durch die Arbeitsmigration verlieren Ungarn, Polen oder die baltischen Staaten wichtige Fachkräfte im Gesundheits- und Pflegesektor", betonte EU-Sozialkommissar László Andor am Freitag in Wien.

Das niedrige Lohnniveau im Heimatland sei Schuld, dass sich in den vergangenen Jahren immer mehr Ärzte und Pfleger vor allem nach Großbritannien oder Irland verabschiedet hätten. Diese Länder sind nicht nur wegen der Sprache interessant. Auch die Ansiedelung zahlreicher Billigfluglinien in Osteuropa trug zur Auswanderung auf die britischen Inseln bei. Die Folgen: "Durch den Verlust von medizinischem Personal gehen wichtiges Wissen und andererseits auch Investitionen der Heimatländer in das Gesundheitssystem verloren", warnt der ungarische Kommissar für Beschäftigung. Die betreffenden Länder und die EU müssten daher Maßnahmen und Anreize überlegen, um die qualifizierten Kräfte im Land zu halten.

Österreich erwartet laut Prognosen von Wirtschaftsforschern lediglich 15.000 bis 25.000 zusätzliche Arbeitskräfte aus den acht EU-Staaten im ersten Jahr, vor allem im Bau-, Tourismus- und Landwirtschaftssektor.

Migranten bauen Olympia-Stadion

Die oftmals verbreiteten Bedenken des Lohndumpings sieht EU-Kommissar Andor dabei nicht. Bestes Beispiel dafür: Beim Beitritt der neuen Länder im Jahr 2004 habe es praktisch keine (minus 0,1 Prozent) Senkung des Lohnniveaus in den Zielländern gegeben, die ihren Arbeitsmarkt sofort geöffnet hatten. Studien belegen weiters, dass die Arbeitslosenzahlen seit der Öffnung sowohl in den Entsende-, als auch in den Empfängerstaaten leicht gesunken sind.

Die Migration habe entgegen zahlreicher Bedenken zum Wirtschaftswachstum beigetragen, sagt Andor. Ohne die Arbeitnehmer aus Osteuropa könne Großbritannien etwa die Bauleistungen für die Olympischen Spiele 2012 in London nicht stemmen. Und auch in Frankreich sei die anfängliche Skepsis gegenüber "polnischen Handwerkern" bald gesunken - nicht zuletzt auch dank einer humorvollen Plakatwerbung, die internationales Medienecho hervorrief. Der Warschauer Tourismusverband reagierte auf die Kritik, der polnische Installateur würde in anderen EU-Ländern Menschen die Jobs wegnehmen, mit einer Gegenkampagne. Mit dem Werbebild eines Installateurs in Arbeitsmontur und dem Slogan "Ich bleibe in Polen, kommt zahlreich" warben die Touristiker um internationale Urlauber.

Auswanderer kehren nach Polen zurück

Überraschend ist freilich: Mittlerweile kommen neben den Urlaubern auch wieder zahlreiche Auswanderer zurück nach Osteuropa. In der Wirtschaftskrise gingen viele Jobs in westeuropäischen Zielländern der Migration verloren. Viele Bürger aus den neuen EU-Ländern seien daraufhin aus Frankreich, Großbritannien oder Irland wieder nach Hause gefahren, berichtet EU-Kommissar Andor. Vor allem in Tschechien und Polen finden die Bürger aufgrund der guten Wirtschaftsentwicklung derzeit gute Jobchancen vor. Als Europa 2009 in der Rezession verharrte, wuchs Polens Wirtschaft - dank steigender Konsumnachfrage - noch um 1,7 Prozent. Die Arbeitslosenrate sank seit dem EU-Beitritt im Jahr 2004 von über 20 Prozent auf 8 Prozent.