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Pendler, wollt ihr ewig pendeln?

Von Christian Ortner

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Christian Ortner.

Wer am Land wohnt, in der Stadt arbeitet und sich das subventionieren lässt, privatisiert den Nutzen und vergesellschaftet die Kosten. Woran erinnert das?


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Der Pendler ist in der Innenpolitik ungefähr, was eine Kuh auf einer indischen Landstraße darstellt: ein unberührbares Tabu. Dem Pendler sein Pauschale - also eine staatliche Subvention von einigen hundert Euro im Jahr - wegzunehmen, ist in der politischen Debatte so tabu, wie die Kuh einfach von der indischen Straße zu zerren. Das geht einfach nicht, und wer’s trotzdem probierte, dem drohte gröberes Ungemach.

Das liegt natürlich vor allem an der großen Zahl der Pendler, in Österreich derzeit etwa 800.000. Mit familiärem Anhang ergibt das einen Wählerblock, den zu verärgern jedem Politiker eine spektakuläre Wahlniederlage garantiert. Noch effizienter Wahlen verlieren kann man wahrscheinlich nur durch eine Halbierung der Mindestpensionen. Dabei wäre es mehr als geboten, das Pendlerpauschale endlich zur Disposition zu stellen. Denn letztlich benimmt sich der Pendler wie eine Bank, die auf Teufel komm raus spekuliert, weil sie im Zweifel der Staat rettet: Er privatisiert die Gewinne (indem er die Lebensqualität des Landes genießt) und vergesellschaftet die Verluste (nicht nur über das Pendlerpauschale, sondern auch über die hohen Kosten der von ihm benötigten Straßen).

Einen besonders intelligenten Vorschlag zur Lösung dieses Problems hat der deutsche Ökonomen Thomas Straubhaar: Er will das Pauschale nicht nur abschaffen, sondern durch eine Pendlerabgabe ersetzen. Bewegte sich eine derartige Steuer in der Größenordnung des jetzigen Pendlerpauschales, könnten damit insgesamt rund 1,2 Milliarden Euro pro Jahr generiert werden, mit denen sich zum Beispiel die Einkommensteuer für alle senken ließe.

Eine derartige Steuer würde "steuern" im wahrsten Sinn des Wortes. Denn das Pendeln ist volkswirtschaftlich, umweltpolitisch und verkehrspolitisch so vernünftig und wünschenswert wie das Rauchen. Warum sollen der Staat und damit auch alle, die nicht die Vorteile des Landlebens genießen, dies auch noch subventionieren?

Das alte Argument, am Land gäbe es einfach nicht genug qualifizierte Jobs, ist ebenso richtig wie irrelevant. Denn ein Menschenrecht auf ausreichend 5000-Euro-pro-Monat-Jobs mitten in der grünen Natur kann es naturgemäß nicht geben. Wer in einer schicken Innenstadt-Advokatur, dem Headquarter eines Multis oder an einer Hochschule arbeiten will, muss eben entweder in die Stadt ziehen - oder die Konsequenzen - und damit vor allem die Kosten des Pendelns - selbst tragen.

Denn treibt man die krause Logik des Pendlerpauschales auf die Spitze, verdient ja auch staatliche Subventionen, wer aus Gründen der Lebensqualität etwa nach Venedig zieht, um montags und freitags mit dem Flieger zur Arbeit in Wien und zurück düst. Sehr nett und sicher sehr angenehm - aber warum soll die Billa-Kassiererin das über ihre Lohnsteuer mitfinanzieren?

Es wäre einer (noch) großen Koalition angemessen, unpopuläre, aber dringend nötige Maßnahmen wie das Streichen des Pendlerpauschales - und seiner großen Schwester, der Wohnbauförderung - anzugehen. Dass sie dabei weitgehend versagt hat, erhöht ihre Daseinsberechtigung nicht wirklich.