Weil die Pauschalen als Steuerfreibetrag eingeführt wurden, haben jene mit mehr Einkommen mehr davon.
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Ursprünglich war das Pendlerpauschale für jene gedacht, die in strukturschwachen Gebieten Österreichs wohnten - und zwar, um die Absiedelung aus kleineren Orte am Land zu verhindern.
Es war eine Idee, die vor allem die Volkspartei forcierte - der ÖVP-Abgeordnete Johann Gassner argumentierte zum Beispiel in einer Nationalratssitzung im Jahr 1982: "Wir wollen den Pendler motivieren und es ihm ein bisschen entgelten, dass er diese vermehrte psychische und physische Belastung auf sich nimmt, dass er bereit ist, mehr Geld zu investieren, um vom Wohnort zum Arbeitsplatz und wieder zurückzugelangen." Denn wenn Pendlern die Belastung durch lange Arbeitswege zu groß werde, dann siedle er um. "Dann wandert er in die Großstadt, in die Ballungszentren, und dies führt dort zu einer weiteren Konzentration der Bevölkerung", argumentierte er.
Drei Jahre später, wieder im Nationalrat, behauptete der ÖVP-Abgeordnete Franz Flicker sogar: "Die Pendler von heute sind die Heimatvertriebenen von morgen!" Die SPÖ sagte in diesen Jahren noch, dass die menschlichen Probleme langer Pendlerstrecken nicht finanziell abgegolten werden könnten. Bei der ÖVP komme beim Thema vor allem "die Gegnerschaft gegen Wien" durch, sagte der SPÖ-Abgeordnete Alfred Teschl zum Beispiel einmal. Mit der Einkommenssteuergesetzesreform von 1988 beschlossen ÖVP und SPÖ dann doch gemeinsam Pendlerpauschalen.
Gleiche Leitlinien der Pauschalen wie am Beginn
Die Leitlinien von damals gelten heute noch für aktuell 1,3 Millionen Pendler. Diese machten 2018 1,3 Milliarden Euro als Pendlerpauschalen bei der Steuer geltend, wodurch sich ihre Steuer laut Verkehrsclub Österreich um rund 500 Millionen Euro reduziert hat. Bei jenen mit einem längeren Arbeitsweg ist die Steuerersparnis höher als bei jenen mit kurzem. Gilt die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln als nicht zumutbar, gibt es mehr, sonst weniger. Ob für den Arbeitsweg öffentliche Verkehrsmittel oder das Auto benutzt werden oder man als Beifahrer mitfährt, spielt keine Rolle.
Wie die Kosten des Arbeitwegs den konkreten Pendler oder die Pendlerin belasten oder ob man sich diese leisten kann, interessiert den Staat ebenfalls nicht. Und weil es sich um einen Steuerfreibetrag handelt, profitieren jene mit höherem Einkommen mehr als jene mit niedrigerem.
Steuerersparnis kann sehr unterschiedlich ausfallen
Für jemanden, der in Melk wohnt und in St. Pölten arbeitet, ist es zumutbar, ein öffentliches Verkehrsmittel für den rund 25 Kilometer langen Arbeitsweg zu benützen. Zwischen 20 und 40 Kilometern beträgt das kleine Pendlerpauschale 696 Euro. Als Freibetrag reduziert sich darum die Steuerbemessungsgrundlage. Was nach Abzug aller Freibeträge und der Sozialversicherung bleibt, wird versteuert. Wegen der höheren Grenzsteuersätze bei mehr Einkommen erhöht sich auch das Pendlerpauschale.
Seit 2013 kommt noch ein Pendlereuro als Steuerabsetzbetrag dazu. Absetzbeträge werden direkt von der Lohnsteuer abgezogen. Das heißt: Sie sind für alle, die Lohnsteuer bezahlen gleich hoch. Für Hin- und Rückweg von Melk nach St. Pölten gibt es für insgesamt 50 Kilometer Arbeitsweg 50 Pendlereuro von der bezahlten Steuer zurück.
So kommt es, dass jene mit einem Einkommen von 1500 Euro brutto im Monat wegen Pendlerpauschale und -euro insgesamt 224 Euro weniger Lohnsteuer bezahlen, jene mit Löhnen oder Gehältern von 4500 Euro monatlich aber 342,36 Euro. Bei einem Arbeitsweg von 50 Kilometern, wie etwa von Ybbs nach St. Pölten, geht es für jene mit einem Einkommen von 1500 Euro um 438,96 Euro pro Jahr, für die mit 4500 Euro um 669,48 Euro.
Bei einem rund 50 Kilometer langen Arbeitsweg von Drosendorf nach Schrems, wo öffentliche Verkehrsmittel nicht zumutbar sind, wird die Steuerbemessungsgrundlage um das große Pendlerpauschal, in diesem Fall 2568 Euro pro Jahr, reduziert, weitere 100 Euro werden danach zusätzlich von der Steuer abgezogen. Die Drosendorferin mit einem Einkommen von 1500 Euro monatlich zahlt um 621,60 Euro weniger Lohnsteuer. Bei ihrer Nachbarin mit dem gleichen Arbeitsweg nach Ybbs und zurück, aber 4500 Euro Einkommen, fallen wegen des Pendelns 1178,52 Euro weniger Lohnsteuer an.
Sollten beide Drosendorferinnen wegen ihrer Belastung durch den Arbeitsweg gleichermaßen entlasten, müssten auch die Pendlerpauschalen als Absetzbetrag gestaltet sein. AK-Verkehrs- und Umweltexperte Heinz Högelsberger - von ihm stammen auch die Beispiele -, plädiert deshalb nicht nur für eine Ökologisierung, sondern auch für eine Neugestaltung des großen und kleinen Pauschales als Steuerabsetzbetrag.
Pendlerpauschalen verfehlen ihr Ziel
Zurück zur Ausgangsintention, also dem Versuch, mit Pendlerpauschalen die Absiedelung aus strukturschwachen Regionen zu verhindern. Da zeigen die Daten der Statistik Austria, dass das nicht geglückt ist: Die Bevölkerung hat sich seit Anfang der 90er-Jahre im nördlichen Waldviertel und der Obersteiermark besonders stark verringert.
Die Befürchtung des ÖVP-Abgeordneten Gassner, dass alle in die Großstadt wandern, hat sich zum Teil erfüllt: Gerade in Wien ist die Bevölkerung enorm gewachsen. Auch Graz wurde in den vergangenen drei Jahrzehnten bevölkerungsreicher. Die Bevölkerung ist auch in den Bezirken im Einzugsgebiet großer Städte gewachsen, insbesondere im Umland Wiens sogar stark gestiegen.
Was die damalige Politik nicht bedacht hatte, ist, dass der Speckgürtel Wiens auch durch die Leute aus der Stadt gewachsen ist: Die Pendlerpauschalen unterstützen jene, die aus Wien wegen der teuren Mietwohnungen wegziehen, genauso wie jene, die sich ein Haus im Grünen in der Region leisten können. Dazu sagt Högelsberger: "Man weiß, dass das Pendlerpauschale nicht gut gestaltet ist. Aber die, die davon profitieren, halten daran fest - sie hatten bisher auch den politischen Einfluss, sich durchzusetzen."