Die Verschiebung ist unaufhaltsam: Die Leistungen aus der staatlichen Pension (1. Säule der Altersvorsorge) werden weiter abnehmen, jene aus betrieblicher (2. Säule) und privater Vorsorge (3. Säule) werden steigen - das ist unbestritten. Doch die Frage nach dem "Wie" und vor allem dem "Wie viel" wird von Betroffenen und Experten heiß diskutiert - so auch bei den diesjährigen St. Wolfganger Gesprächen des Verbandes der Versicherungsunternehmen in Österreich.
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Die sogenannte "Pensionssicherungsreform" der Regierung geht in die richtige Richtung, loben Versicherungsfachleute - doch sie ist zu schwach, folgt die Kritik. "Die Reform 2003 ist der erste Teil einer systematisch umfassenden Alterssicherungsreform und sollte daher nicht isoliert betrachtet werden", argumentierte Walter Pöltner, Sektionschef im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz. Ziel war es, den Bundesbeitrag zum Pensionssystem zu stabilisieren, und das sei "einigermaßen" gelungen, so Pöltner. Und zwar in dem Sinne, dass der Anstieg nicht mehr so steil ist wie bisher.
Denn nach Berechnungen des Leiters der Pensions-Sicherungskommission, Theodor Tomandl, wird der Bundesbeitrag zum Pensionssystem weiter steigen, von 5,8 Mrd. Euro im Jahr 2004 auf 6,3 Mrd. Euro im Jahr 2008. Aus der Reform hätte sich ursprünglich eine viel höhere Einsparung ergeben, erläutert Pöltner im Gespräch mit der "Wiener Zeitung", aber durch die Einziehung der 10%-Deckelung (vorerst kann niemand mehr als 10% seiner Pension verlieren) und diverse Sonderregelungen wurden die Einsparungen wieder stark abgeschwächt.
Welchen Beitrag die staatliche Pension künftig überhaupt noch zur Sicherung des Lebensstandards leisten wird, darüber scheiden sich die Geister. "Eigentlich ist der Zug schon abgefahren", zeichnete Helmut Holzer von der Aktuarvereinigung ein negatives Zukunftsszenario für die Sicherung der Pensionen.
Auch wenn jene, die heute jung sind, zwar relativ sicher einmal eine staatliche Pension bekommen würden, bleibe die Frage, wie hoch diese ausfallen werde. In der derzeit geltenden gesetzlichen Fassung wird auf absehbare Zeit die durchschnittliche Netto-Einkommensersatzrate bei Männern von 80% auf etwa 72% und bei Frauen von 71% auf etwa 64% sinken, prognostizierte Thomas Url vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo). Ohne 10%-Deckelung hätten die Einbußen im Schnitt zwischen 13 und 17% des letzten Nettoeinkommens betragen. "Die 1. Säule wird auch in Zukunft die Hauptlast tragen", beruhigte der Generalsekretär des Versicherungsverbandes, Louis Norman-Audenhove, gleich zu Beginn der Veranstaltung.
ÖVP-Nationalratsabgeordneter Michael Ikrath betonte, die ÖVP sei für das 3-Säulen-System, ohne das Umlageverfahren grundsätzlich in Frage zu stellen. "Es gibt keinen Grundkonsens darüber, dass das Umlagesystem den Lebensstandard sichern soll," kritisierte hingegen Werner Muhm von der Arbeiterkammer (AK). "Es soll ein bestimmter Anteil des Lebensstandards gesichert sein", formulierte Christoph Matznetter (SPÖ) als Ziel. Ob das der Fall sein wird, bezweifelte Mathias Bauer, Vorstand der Raiffeisen KAG: "Ich glaube, dass ich von staatlicher Seite nur mehr eine Mindestpension bekommen werde, und da weiß ich nicht, wie hoch sie sein wird." Die 2. und 3. Säule sollten demzufolge die Differenz zwischen dem bisherigen Einkommen und der staatlichen Pension abdecken, damit bei Pensionsantritt der bisherige Lebensstandard aufrecht erhalten werden kann.
Lebensversicherer:
Weniger Einmalzahlungen
Mehr Geschäft wird es durch diese Entwicklung künftig jedenfalls für die Lebensversicherer geben. Die Zahlen für das erste Halbjahr 2003 sind indes nicht berauschend: Während die laufenden Prämienzahlungen gegenüber dem Vorjahreszeitraum um gut 9% zugelegt haben, mussten die Institute bei den Einmalzahlungen einen Rückgang von rund 25% hinnehmen. Insgesamt ging das Prämienaufkommen im Halbjahresvergleich daher um 2,2% auf 2,82 Mrd. Euro zurück. Für das Gesamtjahr rechnen die Lebensversicherer aber trotzdem mit einem Wachstum. Auswirken wird sich dabei auch die neue Zukunftsvorsorge, die erst zur Jahresmitte so richtig angelaufen ist, erläuterte Manfred Baumgartl, Sprecher der österreichischen Lebensversicherer, vor Journalisten. Geht es nach den Plänen der EU, so werden die Lebensversicherer künftig auch von der Stärkung der 2. Säule profitieren: Die EU-Richtlinie sieht vor, dass künftig auch Lebensversicherungen mit Abwicklung der betrieblichen Altersvorsorge betraut werden sollen. In Österreich soll der erste Begutachtungsentwurf zur Umsetzung dieser EU-Richtlinie noch im ersten Halbjahr 2004 vorliegen.
"Mittelfristig werden sich die Pensionskassen und die Lebensversicherer die 2. Säule 50 zu 50 teilen", meinte Kurt Ebner, Vorstandsdirektor bei der Wiener Städtischen Versicherung.