Erwiderung zum Gastkommentar von Dénes Kucsera in der "Wiener Zeitung" am 14. März 2019.
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In der öffentlichen Debatte zur Finanzierbarkeit des Pensionssystems werden immer wieder dieselben Behauptungen strapaziert. So zuletzt in der "Wiener Zeitung" am 14. März von Dénes Kucsera, von der neoliberalen PR-Agentur Agenda Austria. Man hat den Eindruck, permanente Wiederholung soll bewirken, dass einseitige Meinungen in der öffentlichen Wahrnehmung als unhinterfragbare Wahrheiten aufgenommen werden.
Vier Behauptungen möchte ich näher beleuchten:
Erste Behauptung: Das österreichische Pensionssystem sei zu teuer, weil wir mehr für Pensionen ausgeben als andere Länder. Für die angemessene Höhe der gesamten Pensionsausgaben gibt es keinen optimalen Wert. Diese hängt vom angestrebten Sicherungsniveau und der Architektur des Alterssicherungssystems ab. In Österreich dominiert die öffentliche Alterssicherung. Das ist gut so, denn damit vermeidet man, dass die Schwankungen auf den Finanzmärkten zu Leistungskürzungen führen. Für die Kosten des Pensionssystems und für internationale Vergleiche müssen die Kosten der gesetzlichen, betrieblichen und privaten Pensionen zusammen betrachtet werden und nicht nur die öffentlichen.
Das führt zum zweiten Mythos: Wir müssen die öffentlichen Pensionen senken und die betrieblichen und privaten ausbauen, weil die steigende Anzahl der Pensionisten das öffentliche Pensionssystem überfordert. Aber der demografische Wandel betrifft alle Pensionssysteme, öffentliche genauso wie private Versicherungen.
Dritte Behauptung: Ohne Koppelung des Regelpensionsalters an die steigende Lebenserwartung sei das System nicht nachhaltig finanzierbar. Hier zeigen die Szenario-Berechnungen, wie sie auch von der EU Kommission Anfang März bestätigt wurden, ein ganz anderes Bild. Auf Basis des derzeit geltenden Pensionsrechts (!), das heißt ohne weitere Pensionsreformen werden die Pensionsausgaben trotz massiv anderer Bevölkerungszusammensetzung nur minimal zunehmen: Der Anteil der über 65-Jährigen an der Bevölkerung wird bis 2060 von 19 Prozent auf 30 Prozent steigen. Demgegenüber steigt der Anteil der Wirtschaftsleistung (Bruttoinlandsprodukt – BIP), der für Pensionen gezahlt werden wird, nur von knapp 14 Prozent auf maximal 15 Prozent. Grund dafür ist die Harmonisierung der Beamtenpensionen, die Angleichung des Frauenpensionsalters an das der Männer und die Einführung des Pensionskontos.
Demgegenüber würde eine Koppelung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters an die Lebenserwartung laut EU-Kommission bewirken, dass die Pensionsausgaben am BIP im Jahr 2070 um 2,4 Prozentpunkte geringer wären. Für die Agenda Austria würde sich das "positiv auf die Pensionsausgaben auswirken". Das Weltbild dahinter: Geringe Pensionsausgaben und damit niedrige Pensionen sind positiv.
Mit Fairness für die jetzt Jungen hat das gar nichts zu tun
Für mich ist das nicht ganz nachvollziehbar. Wenn der Anteil der über 65-Jährigen um 50 Prozent steigt, kann es nicht "positiv" sein, wenn ihr Anteil am Gesamteinkommen zurückgeht. Man kann doch den Teil des BIP, den man sinnvollerweise für Pensionen zahlt, nicht unabhängig vom Anteil der Menschen sehen, die davon leben müssen. Mit Fairness für die jetzt Jungen hat das übrigens gar nichts zu tun. Denn das wären genau die, die von den niedrigeren Pensionen voll betroffen wären.
Vierte Behauptung: Das Pensionssystem habe ein Defizit, weil es "schon jetzt" aus Steueraufkommen finanziert sei. "Schon heute muss das öffentliche Pensionssystem stark bezuschusst werden." Der Neuigkeitswert dieser Aussage ist sehr begrenzt. Denn von Anfang an wurde die Finanzierung bewusst so konzipiert, dass das Pensionssystem gemischt finanziert wird: durch zweckgebundene Beiträge und durch Steuermittel. Eine Kofinanzierung ist keine Defizitabdeckung. Durch die Einbeziehung von Steuermittel erfolgt eine bewusste Verbreiterung der Finanzierungsbasis. Übrigens sank der Anteil der Steuermittel an den Pensionsausgaben von 2,3 Prozent 2013 auf 1,7 Prozent 2017.