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"Pensionskonto gegen Missbrauch"

Von Brigitte Pechar

Politik
Therese Mitterbauer fordert Abschaffung der Hacklerregelung und Reduzierung der Invaliditätspensionen. Foto: IV

Therese Mitterbauer: Anreize für Unternehmen statt Strafen. | "Kommission abschaffen." | "Wiener Zeitung": Die Lebenserwartung der Bevölkerung steigt jährlich um drei Monate an; die Geburtenrate liegt bei 1,2; in 15 Jahren gehen die starken Jahrgänge der Babyboomer in Pension. Dennoch kann sich die Pensionskommission zu keinen Empfehlungen zur langfristigen Finanzierung des Pensionssystems durchringen. Wie sollen die Pensionen in 20 Jahren finanziert werden? | Therese Mitterbauer: Die Junge Industrie hat ein Reformmodell dazu vorgelegt. Wir fordern ein individuelles Pensionskonto.


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Auf dieses Konto zahlt jeder im Laufe seines Berufslebens Beiträge und bekommt am Ende das heraus, was er einbezahlt hat. Wenn jemand länger arbeitet mehr, wenn jemand kürzer arbeitet weniger.

Ein Pensionskonto klingt auf den ersten Blick gerecht, ist aber unsolidarisch. Jemand, der wenig verdient, kann nur wenig einzahlen und von seiner Pension nicht leben.

Daran haben wir natürlich gedacht. Unser Modell sieht vor, dass der Staat die Differenz auf den Ausgleichszulagenrichtsatz zahlt. Aber grundsätzlich kann mit einem Pensionskonto Missbrauch verhindert werden. Es ist zumutbar, länger zu arbeiten, dann bekommen die Menschen auch eine höhere Pension. 1970 haben die Menschen in Österreich noch 43 Jahre lang gearbeitet und 34 Jahre nicht. Jetzt ist es umgekehrt. Die Menschen arbeiten im Durchschnitt 35 Jahre und 48 Jahre nicht. Die Menschen arbeiten also immer kürzer bei stetig ansteigender Lebenserwartung. Es ist eine Schulkindlogik, dass das System so auf Dauer nicht finanzierbar ist. Das geht zu Lasten der nächsten Generationen, und das akzeptieren wir nicht.

Können die Pensionen mit Ihrem Pensionskonto so hoch sein wie jetzt?

Nein, die Pensionen wären niedriger als jetzt. Aber wir müssen das tun, sonst haben wir einen Kollaps durch überbordende Staatsschulden. Denn höhere Steuern zur Finanzierung des Pensionssystems sind ja auch nicht möglich. Österreich wird die Wettbewerbsfähigkeit verlieren, wenn keine Einschnitte kommen.

Die Menschen gehen aus mehreren Gründen früher in Pension. Einerseits nimmt der Druck am Arbeitsplatz zu und damit psychische Erkrankungen. Andererseits verabschieden sich Firmen gerne von älteren, teureren Mitarbeitern. Damit werden Kosten von Betrieben auf die Allgemeinheit verlagert. Was bietet die Wirtschaft zur Problemlösung an?

Man muss zuerst einmal die Invaliditätspensionen zurückdrängen. Dazu ist es notwendig, schon früher Rehabilitation einzusetzen. Dazu gibt es Pläne von Sozialminister Rudolf Hundstorfer. Außerdem muss auch die Wirtschaft umdenken. Initiativen dazu gibt es bereits. Wir überlegen, wie man etwa den psychischen Stress abbauen kann, um die Menschen länger im Beruf zu halten.

Könnten Sie sich auch Strafen für Unternehmen vorstellen, die ihre Mitarbeiter vorzeitig in den Ruhestand schicken - sehr oft, indem sie vorher noch eine Zeit lang in Arbeitslosigkeit gehen?

Ich bin gegen Strafen. Man sollte mit Anreizen arbeiten. Auf- und Abschläge etwa könnten da mehr bringen. Aber die Zeiten ändern sich. Aufgrund der geburtenschwachen Jahrgänge sind Unternehmen zunehmend darauf angewiesen, auch ältere Arbeitnehmer in den Betrieben zu halten. Ich gebe zu, dass in der Krise manchmal das Instrument der vorzeitigen Pensionierungen angewendet wurde - vom Anstieg der Arbeitslosigkeit waren aber die Jüngeren stärker betroffen. Wichtiger als Strafen wäre es, Betriebe anzusiedeln, um die Beschäftigungsquote zu heben.

Was ist mit der Altersteilzeit (Mindestzugang 58 Jahre für Männer, 53 Jahre für Frauen - es wird nur noch die Hälfte der Zeit gearbeitet und 75 Prozent des Lohns bezahlt; der Bund finanziert 55 bis 90 Prozent der Kosten) - soll diese erhalten bleiben?

Die Altersteilzeit funktioniert nicht. Sie kostet viel und bringt nichts. Man sollte sich stattdessen ordentliche Gleitzeitmodelle überlegen. Es muss nicht sein, dass jeder ältere Arbeitnehmer von 8 Uhr bis 17 Uhr arbeitet. Das sollte flexibler werden. Aber dafür haben wir noch keine Modelle.

Ist das Pensionskonto auch ein Vorschlag der Industriellenvereinigung?

Das ist ein Konzept der Jungen Industrie. Aber es ist gut, weil es ein transparentes, faires und nachhaltiges Modell ist. Wir sind noch in Gesprächen, um dieses Konzept breitenwirksam zu machen.

Pensionsexperten meinen, dass allein mit der Streichung aller Formen der Frühpensionen das Auslangen gefunden werden kann.

Ich bin da vorsichtig, aber es stimmt, dass eine Erhöhung des Pensionsantrittsalters um ein Jahr 1,2 Milliarden Euro bringt.

Sollte das Pensionsantrittsalter auf 67 Jahre angehoben werden?

Schweden hat ein durchschnittliches Pensionsalter von 67 Jahren, in Finnland sind es 68. Aber ich bin praktisch orientiert. Wir sollten alle Schlupflöcher in die vorzeitige Pension schließen, die Hacklerregelung abschaffen und die Invaliditätspensionen reduzieren.

Es gibt große Zweifel an der Sinnhaftigkeit einer 34-köpfigen Pensionskommission. Teilen Sie diese?

Wir sollten die Kommission abschaffen. Die Bundesregierung muss handeln, Mut beweisen und unpopuläre Maßnahmen endlich umsetzen. Jetzt ist Zeit dazu, die Politik sollte dieses Zeitfenster nützen.

Zur Person

Therese Mitterbauer (33) ist seit 2009 Bundesvorsitzende der Jungen Industrie. Die promovierte Juristin startete ihre Karriere während ihres Studiums als Forschungsassistentin im EU-Parlament in Brüssel. Nach einem Studienaufenthalt in Bologna startete Mitterbauer bei Mondi Packaging eine Industriekarriere. Seit Juli 2008 ist sie geschäftsführende Gesellschafterin der Miba-Tochter High Tech Coatings.

Die Junge Industrie ist die freiwillige Interessenvertretung junger Unternehmer bis 40. Siehe auch:Khol für Umbau der Pensionskommission

+++ Solidarbeitrag Wertschöpfungsabgabe