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Pensionsreform als neuer Konfliktherd

Von WZOnline

Politik

Wien. Elf Wochen hat der Koalitionsfrieden gedauert - jetzt streiten sie wieder. Die am Wochenende von der SPÖ aufgestellte Forderung nach Einbindung des Parlaments in künftige Pensionsreformen hat die zu Ostern verkündete Ruhe beendet und für neuen Zwist unter den Regierungsparteien gesorgt. Die ÖVP beharrt auf der in der Vorwoche vereinbarten Pensionsautomatik über Verordnung ohne Parlament und wirft Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (S) mangelnde Führungsqualität vor. Die SPÖ wieder hält dem Koalitionspartner undemokratisches Verhalten vor, wenn er wichtige Änderungen am Parlament vorbei beschließen wolle.


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Der neue Streit überschattet auch bereits die Regierungsklausur am Mittwoch. Neben der Pensionsreform sind auch noch andere Themen, die eigentlich bei der Gelegenheit beschlossen werden sollten, noch offen. So dürften nach derzeitigem Stand sowohl das Tabakgesetz zum Nichtraucherschutz in Lokalen als auch die Mindestsicherung wegen inhaltlicher Differenzen zurückgestellt werden. Und wie es mit der ebenfalls für Mittwoch angepeilten Gesundheitsreform weiter geht, steht auch noch in den Sternen. Dazu hat sich die Regierung am Sonntag zwar auf Maßnahmen geeinigt, die die Ärzte betreffen. Verhandlungen mit den Betroffenen werden aber noch geführt, und die Ärzte haben für den morgigen Dienstag auch bereits zu einer Großdemonstration in der Wiener Innenstadt aufgerufen. Über die Hauptverbandsstruktur sollen noch einmal die Sozialpartner beraten.

Auslöser für die neuen Streitereien ist das von Sozialminister Erwin Buchinger (S) und Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (V) in der Vorwoche vereinbarte Pensionspaket, das unter bestimmten Voraussetzungen wie einer steigenden Lebenserwartung und einem Sinken der Einnahmen-Ausgabenquote für die Pensionen eine automatische Reaktionen wie ein Anheben des Pensionsalters vorsah. Die SPÖ hat sich aber am Sonntag nach heftiger innerparteilicher Kritik in ihrem Präsidium darauf festgelegt, dass die Entscheidung nicht allein mit einer Verordnung des Sozial- und Finanzministers erfolgen könne, sondern das Parlament eingebunden werden müsse. In welcher Form die SPÖ sich diese Einbindung vorstellt, ist noch offen, möglich wären der Hauptausschuss oder das Plenum des Nationalrates. Die ÖVP lehnt aber ein Aufschnüren des Pakets, das auch eine Verlängerung der "Hackler-Regelung" vorsieht, entschieden ab.

Bartenstein pochte am Montag neuerlich auf den Reformautomatismus und meinte, dass er "bis zum Beweis des Gegenteils" erwarte, dass das Paket am Mittwoch unverändert im Ministerrat behandelt werde. VP-Umweltminister und Koalitions-Koordinator Josef Pröll ortete in der SPÖ "Führungsturbulenzen in besonderem Ausmaß" und sagte: "Das ist auf Dauer nicht tragfähig." Für Pröll ist die zentrale Frage: "Was hat Alfred Gusenbauer überhaupt noch zu sagen?" Die ÖVP müsse sich fragen, "mit wem wir in Zukunft noch etwas paktieren und ausmachen können."

Heftig fiel die Gegenkritik von SPÖ-Bundesgeschäftsführer Josef Kalina am Koalitionspartner aus. Er argumentierte die SPÖ-Forderung nach Einbindung des Parlaments mit dem Namen der Sozialdemokraten: "Wir sind sozial und demokratisch." Wenn die ÖVP das ablehne, "dann ist sie weder sozial noch demokratisch, dann ist sie unsozial und undemokratisch". Die von der SPÖ geforderten Änderungen des Pensionspakets "müssen hinein, alles andere ist in einer parlamentarischen Demokratie nicht vorstellbar". Die SPÖ stehe "inhaltlich voll und ganz" zur Berichtsautomatik, eine Vorwarnung, wenn sich die Bedingungen für die Pensionen ändern, solle automatisch in Kraft treten. Für die SPÖ sei aber klar, dass es keine "inhaltliche Verschlechterungsautomatik" am Parlament vorbei geben könne.

Kritik an den Änderungswünschen der SPÖ übte der Sozialrechtsexperte und frühere Vorsitzende der Pensionsreformkommission, Theodor Tomandl: "Das ist die Ablehnung jeder Änderung." Für den Sozialrechtler bedeutet das einen Rückschritt in die Zeit vor der letzten Pensionsreform. Unterstützung erhielt die SPÖ hingegen vom Verfassungsexperten Heinz Mayer. Er gab zu bedenken, dass eine allfällige Erhöhung des Frauenpensionsalters mittels Verordnung nicht möglich wäre, da das ungleiche Pensionsantrittsalter von Männern und Frauen im Verfassungsrang verankert sei. (APA)

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