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Einigung bei Stiftungen, Pendlern, Nichtraucherschutz und Gesundheit. | Der Pensionsstreit wurde vertagt. | Wien. Entgegen vielen Erwartungen ging doch einiges weiter bei der Regierungsklausur gestern, Mittwoch. So einigten sich SPÖ und ÖVP über die Entlastungen für Pendler, die Neugestaltung der Stiftungssteuer, beim Nichtraucherschutz und - mit Abstrichen - auch über die Gesundheitsreform. Vertagt wurde hingegen eine Entscheidung über die Pensionsreform.
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Hier hatte wohl Wiens Bürgermeister Michael Häupl am Dienstag dem Streit einiges an Schärfe genommen, als er meinte, die Zeit dränge nicht. So sprach am Mittwoch auch Bundeskanzler Gusenbauer: "Es besteht hier nicht eine unmittelbare Eile. Der Handlungsbedarf ist zeitlich nicht so akut."
Starre Fronten
Es könnte fast der Eindruck entstehen, dass Rot und Schwarz sich vorgenommen haben, etwas entspannter an die Sache heran zu gehen. Tatsächlich aber haben sich beide Seiten in ihrer jeweiligen Position einbetoniert. So beharrt die ÖVP nach wie vor auf der Pensionsautomatik (Minister setzt per Verordnung Maßnahmen, falls die Lebenserwartung steigt und die Deckungsquote in den Pensionsversicherungen gleichzeitig sinkt), während die SPÖ auf der Entscheidung durch das Parlament pocht.
Allerdings könnte sich eine Lösung abzeichnen, die beide Seiten das Gesicht wahren lässt. So ist aus dem Umfeld der ÖVP zu vernehmen, dass eine Entscheidung über Pensionsverschärfungen im Hauptausschuss des Nationalrats getroffen werden könnte. Dieses Gremium ist für die Regierung leichter zu kontrollieren als das Plenum.
Während der Kanzler eine Prognose, bis wann der Pensionsstreit gelöst wird, scheute, zeigte sich Vizekanzler Wilhelm Molterer zuversichtlich, dass dies noch in dieser Legislaturperiode der Fall ist. Ewig kann sich die Regierung nicht Zeit lassen, denn ein Teil des Pensionspakets ist auch die Verlängerung der Hacklerregelung. Diese läuft Ende 2010 aus und soll ja bis 2013 verlängert werden.
Geänderter Plan
Mindestens ebenso umstritten - weniger zwischen den Parteispitzen als vielmehr innerhalb von SPÖ und ÖVP - ist die Gesundheitsreform. Nach zähen Verhandlungen mit Gewerkschaft, Wirtschaft und Ärzten hat sich die Koalition hier aber zumindest teilweise geeinigt. Der neue Entwurf sieht eine Reihe von Veränderungen gegenüber dem ursprünglichen Plan vor.
* Gesundheit: In Zwei Punkten kam man den Ärzten entgegen: Im Falle eines vertragslosen Zustands zwischen Ärztekammer und Kassen soll eine Schiedsstelle vermitteln. Darin vertreten sind Ärzte- und Sozialversicherungsvertreter. Die Mehrheit stellt aber ein dreiköpfiger Senat aus Richtern des Obersten Gerichtshofs. Die Möglichkeit von Einzelverträgen mit Ärzten bleibt aber bestehen.
Statt einer Rezertifizierung von Ärzten alle fünf Jahre soll es nun eine regelmäßige Qualitätsevaluierung geben. Im Extremfall können Verträge aber gekündigt werden.
Bei der Aut-idem-Regelung soll chronisch Kranken auch künftig ein Medikament und nicht nur ein Wirkstoff verschrieben werden dürfen.
Vertagt wurde die Entscheidung über die Patientenquittung. Erst soll eine entsprechende EDV geschaffen werden, hieß es.
Bezüglich der Kassenreform bleibt es bei der Umwandlung des Hauptverbandes in eine Holding mit Durchgriffsrechten auf die Kassen. Zugeständnis an die Kritiker: Der Verwaltungsrat wird aufgestockt, künftig sind auch Pensionisten und Sozialversicherungen vertreten. Die Spartenkonferenz der Kassen bekommt ein aufschiebendes Vetorecht gegenüber dem Verwaltungsrat.
Ob diese Änderungen ausreichen, um die Gegner der Reform zu beruhigen, bleibt abzuwarten. Man werde sich der Diskussion im parlamentarischen Prozess stellen, sagte Gusenbauer. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Gesundheitsreform nicht kommt."
Abseits der Gesundheitsreform einigte sich die Regierung auch auf:
* Nichtraucherschutz: Ab 2009 ist die Trennung von Raucher- und Nichtraucherbereichen in Lokalen verpflichtend. Wahlfreiheit gibt es für Gaststätten unter 50 Quadratmeter und für Lokale von 50 bis 80 Quadratmeter, bei denen räumliche Trennung nicht möglich. Kein Rauchverbot für Zeltfeste und Vereinslokale.
* Stiftungssteuer: Keine rückwirkende Steuergutschrift für Stiftungen mehr. Dafür wird der Eingangssteuersatz von 5 auf 2,5 Prozent gesenkt. Der Stiftungszweck von Substiftungen muss künftig dem der Mutterstiftung entsprechen.
* Pendler: Mit 1. Juli Erhöhung der Pendlerpauschale um 15 Prozent, Anhebung des amtlichen Kilometergeldes von 38 auf 42 Cent.
* Bildung: Novelle des Berufsreifeprüfungsgesetzes. Ab nächstem Schuljahr können Lehrlinge parallel zur Lehre kostenfrei die Matura machen. Der Bund fördert diese Berufsmatura mit 6000 Euro pro Lehrling.
Einheitliche Bildungsstandards für Schüler der 4. und 8. Schulstufe ab 2012.
* Soziales: Bezieher der geplanten Mindestsicherung werden in die Krankenversicherung einbezogen und erhalten eine E-Card.
Die Förderung für das Freiwillige Sozialjahr wird verlängert. Kostenpunkt: 800.000 Euro.
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