In Österreich zu wenig Anleger für Massentrends. | US-Forscher finden "Wall-Street-Gen" für bessere Risikobewertung. | Wien. Es gibt Situationen, in denen Menschen ihren Verstand ausschalten - auch wenn es dabei um ihr Geld geht. Susanne Lind-Braucher und Lukas Sattlegger von der Universität Graz befassen sich in einer demnächst erscheinenden wissenschaftlichen Analyse mit dem Herdenverhalten von Anlegern an den Finanzmärkten. Darin bestätigen sie, dass Investitionsentscheidungen - vor allem in Extremsituationen - nicht unbedingt von Rationalität getragen sein müssen.
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Gleichzeitig belegen sie jedoch deutliche Unterschiede zwischen einzelnen Ländern. So zeigt sich, dass in Deutschland und Großbritannien Investoren knapp vor und während der Finanzkrise spürbar dazu neigten, auf allgemeine Trends aufzuspringen, statt auf Fundamentaldaten oder eigene Überlegungen zu vertrauen. In Japan zeigt sich dieses Herdenverhalten in Ausnahmesituationen, in den USA und in Österreich ist es hingegen kaum messbar.
Basis für die Studie ist eine kürzlich fertiggestellte Diplomarbeit, in der Sattlegger Börsendaten - konkret geht es um Tagesrenditen - der Jahre 2005 bis 2009 auswertet. Grundgedanke ist, dass beim Vorliegen von Herdenverhalten die Renditen (also tägliche Kursgewinne oder -verluste einzelner Werte) weniger breit gestreut sind.
Sparbuch statt Aktien
Zunächst konstruiert Sattlegger einen künstlichen Index, in dem Herdenverhalten praktisch ausgeschlossen werden kann. Dann vergleicht er die Daten verschiedener Börsen mit diesem Index, wobei Abweichungen darauf hindeuten, dass tatsächlich ein Herdentrieb unter den Investoren existiert. Dass dies in Österreich nicht der Fall zu sein scheint, begründet Lind-Braucher damit, dass Anleger hierzulande eher aufs Sparbuch oder auf den Bausparvertrag als auf Aktien setzen. Gewissermaßen gibt es am heimischen Finanzmarkt gar keine Herde, die in einen gemeinsamen Trott verfallen könnte. In den USA wirke sich möglicherweise die lange Erfahrung mit dem Aktiengeschäft positiv aus.
Herdenverhalten kann sowohl in guten als auch in schlechten Zeiten auftreten. Lind-Braucher glaubt jedoch, dass dies stärker bei einer positiven Marktentwicklung der Fall sei. Sie verweist auf den Begriff der "Dienstmädchen-Hausse": In einer solchen folgen viele - ohne Marktverständnis - einer allgemeinen Euphorie. Generell kann der Herdentrieb jedenfalls zu Übertreibungen führen. Platzen Spekulationsblasen, droht dann ein Aktiencrash.
Geborene Spekulanten
Vorteile haben wohl jene, denen US-Forscher laut Deutscher Presseagentur nun ein "Wall-Street-Gen" attestieren. Bei Experimenten am California Institute of Technology zeigte sich, dass Träger einer bestimmten Genvariante bei spielerisch durchgeführten Finanzgeschäften besser abschnitten. Sie entschieden sich häufiger dafür, lohnende Risiken einzugehen, lehnten nicht lohnende Risiken jedoch genauso oft ab wie andere Probanden, heißt es im Journal der britischen Royal Society.
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