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In der Schweiz zeigt sich deutlich: Je mehr und je direkter das Volk über Staatsausgaben abstimmen kann, um so solider sind die Staatsfinanzen.
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Man muss kein besonders begabter Zukunftsforscher sein, um das wahrscheinlich gewichtigste politische Megathema der nächsten Jahre in Europa, den USA oder Japan zu identifizieren: die Verschuldung der (meisten) Staaten und wie man sie wieder auf ein leidlich erträgliches Maß zurückführt. Der Lösung dieses Problems werden die meisten Regierungen in näherer Zukunft einen erheblichen Teil ihrer Management-Kapazitäten widmen müssen.
Als modisches Mittel der Wahl gilt dabei in ganz Europa eine (am besten verfassungs)gesetzlich verankerte Schuldenbremse - de facto nichts anderes als eine freiwillige Teilentmündigung der Parlamente, die sich damit allerdings ja irgendwie selbst ein Armutszeugnis ausstellen. Dass die parlamentarische Demokratie offenbar bei sich selbst um ihre eigene Besachwaltung ansuchen muss, weil sie sonst regelmäßig zur fahrlässigen Krida neigt, ist kein wirklich klar erkennbarer Vorzug dieser Staatsform.
Das systemimmanente Problem der Schuldenbremse: Wenn Politiker sie wirklich mit Leben erfüllen wollen, wird sie nicht gebraucht; will eine Regierung sie umgehen, findet sie dazu Mittel und Wege. Sie ist besser als nichts, aber weit davon entfernt, gegen staatliche Schuldenexzesse wirklich zu schützen. (Wir erinnern uns noch gut an heilige Versprechen der Euro-Staaten, ihre Defizite und Schulden zu begrenzen - eine Schuldenbremse von überschaubarer Wirkung, wie wir heute wissen.)
Ein wesentlich verlässlicherer Weg zu einem halbwegs soliden Budget könnte möglicherweise darin liegen, nicht das schuldengebremste Parlament, sondern gleich die Wähler selbst über Staatsausgaben ab einer bestimmten Höhe entscheiden zu lassen. Das legt jedenfalls eine interessante neue Studie der Schweizer Ökonominnen Patricia Funk und Christina Gathmann nahe, die zu klar zum Befund kommt: Je mehr die Bürger über die staatlichen Ausgaben mitbestimmen können, desto solider wird der öffentliche Haushalt. Akribisch haben die beiden Autorinnen jene Schweizer Kantone, in denen sehr oft über öffentlicher Ausgaben abgestimmt wird, mit jenen verglichen, in denen das nur selten der Fall ist - und zwar über die vergangenen 115 Jahre. Direkte Demokratie in Sachen Geld führt regelmäßig zu ordentlicheren und solideren öffentlichen Haushalten als parlamentarische Demokratie (die weiß also offenbar schon, warum ihr die teilweise Selbstentmündigung per Schulenbremse ganz gut tut). Die Wähler sind wohl nicht ganz so einfältig, wie die Politiker manchmal meinen.
Dass die politische Klasse nicht nur hierzulande - gleich welcher Couleur - davon eher mäßig begeistert ist, liegt auf der Hand. Wer als Politiker nicht mehr über große Ausgaben entscheiden kann, weil dies der Souverän selbst erledigt, verliert enorm an Macht und Einfluss. Es wird deutlich schwieriger, sich den Wählern gegenüber spendabel zu präsentieren, um sich so die Wiederwahl zu erkaufen.
Die Schweizer haben übrigens beides: Schuldenbremse und Volksentscheide über Ausgaben der öffentlichen Hände - und eine Staatsverschuldung, die etwa die Hälfte der österreichischen beträgt.