Warum sich die SPÖ heute nicht ausschließlich auf eine Regierung gemeinsam mit der ÖVP festlegen sollte.
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Schon in meinem 2008 erschienen Buch "Der Sturz des Adlers" habe ich zum Ausdruck gebracht und ausführlich begründet, warum das unbedingte Festhalten der SPÖ an der einst großen, aber immer kleiner gewordenen Koalition mit der ÖVP keine fruchtbare Perspektive für das Wiedererstarken der SPÖ, aber auch keine zielführende Perspektive für die Demokratie insgesamt ist.
Gustav Peichl hat damals das Titelbild des Buches beigesteuert und bildlich dargestellt, dass sich die SPÖ in dieser Koalition trotz ihrer führenden Stellung in der Lage eines gerupften Vogels in einem Käfig befindet, dessen Ausgang nach vorne versperrt ist, allenfalls aber nach rückwärts offen steht. Seit dem damaligen Gleichklang von Leser und Peichl ist nichts geschehen, um diesen Zustand der Festgefahrenheit zu verändern.
Im Gegenteil, die Sachlage hat sich nach der jüngsten EU-Wahl nur noch verschärft. Die Koalition mit der ÖVP erlaubt es der SPÖ bestenfalls, den bisherigen Stand zu halten, nicht aber zur einstigen Stärke zurückzufinden. Die fatale Situation ist so offenkundig, dass nun auch ein höherer Parteifunktionär der SPÖ, der burgenländische Vize-Chef und Landesrat Peter Rezar, offen ausgesprochen hat, was andere bloß denken und kopfschüttelnd verfolgen: dass die Festlegung auf eine bestimmte historisch gewachsene, aber möglicherweise auch schon historisch überholte Regierungsform in eine ähnliche Sackgasse mit umgekehrten Vorzeichen führen kann wie die permanente Oppositionshaltung der Sozialdemokratie in der Ersten Republik.
Dabei bietet gerade die burgenländische Landesgeschichte der Ersten Republik reichlich Anschauungsmaterial dafür, dass man auch aus beengten Verhältnissen ausbrechen und Verschiedenes unternehmen kann. So hat mein Onkel Ludwig Leser in der Zwischenkriegszeit als der führende Kopf und ruhende Pol der Landespolitik unter sieben wechselnden Landeshauptleuten als permanenter Landeshauptmann-Stellvertreter verschiedene Optionen nicht nur durchgedacht, sondern auch durchgespielt. Er hat eine Zeit lang eine Koalition mit den Christlich-Sozialen gebildet, aber auch mit den grünen Landbündlern von damals koaliert, ja zeitweise sogar eine Minderheitsregierung Leser gewagt.
Mit Hilfe der Sozialdemokratie wurde der Vorsitzende der kleinsten großdeutsch-grünen Partei, Alfred Walheim, zweimal zum Landeshauptmann gewählt, der freilich umfiel und den autoritären Kurs der Christlich-Sozialen mittrug.
Letzteres Beispiel zeigt, dass auch ein Ausbruchsversuch ein Risiko in sich birgt. Dass aber das Verharren in einer optisch bequemen, inhaltlich aber perspektivelosen Ruheposition jedenfalls aber von der Stagnation bedroht ist. Immer mehr besorgte Genossen in der SPÖ fragen sich, ob es auf die Dauer genügt, zwar den Kanzler stellen, aber inhaltlich wenig bewirken zu können. Dabei sollte die SPÖ bedenken, dass auch ihr leichter Vorsprung gegenüber der ÖVP dahin wäre, wenn es neben den Grünen zum Antreten einer eigenen Linkspartei wie im benachbarten Deutschland käme.
Was in dieser Situation erforderlich wäre, sind politische Fantasie und Mut. An beiden aber scheint es den gegenwärtigen Entscheidungsträgern zu gebrechen.