Justiz will nun Mubarak befragen. | Internet-Blogger zu drei Jahren Haft verurteilt. | Kairo/Wien. Vom Tahrir-Platz in Kairo ist die ägyptische Revolution ausgegangen, und auf ihm wird sie weiter vorangetrieben. Nachdem dort am Freitag mindestens einer von zehntausenden Demonstranten ums Leben gekommen war, blieben am Wochenende hunderte auf dem Platz, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Und auf den ersten Reflex des nun regierenden Militärrates, die Demonstranten mit Gewalt auseinanderzutreiben und mit weiterem harten Vorgehen zu drohen, folgten alsbald Zugeständnisse der Armee an die Protestierenden.
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Die Demonstranten hatten unter anderem gefordert, den ehemaligen Präsidenten Hosni Mubarak vor Gericht zu stellen und sein Geld zu beschlagnahmen. Nun soll die Justiz Mubarak und seine Söhne zur Gewalt während des Umsturzes und zur Korruption befragen. Ex-Ministerpräsident Ahmad Nasif wurde wegen Korruptionsvorwürfen festgenommen. Gleichzeitig wurde, entsprechend den Forderungen am Tahrir-Platz, in Aussicht gestellt, einige noch von Mubarak ernannte Provinzgouverneure auszutauschen.
Als ständiges "Tauziehen" zwischen Militär und Demokratiebewegung bezeichnet die Vorgänge Annette Büchs, Ägypten-Expertin am Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien (Giga) in Hamburg. Das Militär habe kein genuines Interesse an demokratischer Veränderung und sei strukturell konservativ. So würde es auch von der Bevölkerung wahrgenommen, die deswegen auf der Straße Druck erzeugen will - was offenbar auch funktioniert. Denn immer wieder geben die Militärs den Forderungen der Demonstranten sukzessive nach. Gleichzeitig wurde nun etwa ein Blogger zu drei Jahren Haft verurteilt, weil er im Internet die Armee beleidigt haben soll. Auch von Prügeln und sexuellen Misshandlungen von Oppositionellen durch Soldaten ist die Rede.
Hinter der ambivalenten Haltung der Militärregierung vermutet Büchs eine zumindest teilweise Überforderung durch die demokratischen Ansprüche. Ob es auch innerhalb des Apparates Widersprüche gibt, vermag sie nicht zu sagen. Jedenfalls waren am Freitag auf dem Tahrir-Platz trotz scharfer Drohungen der Regierung auch Uniformierte in den Kreisen der Demonstranten zu sehen.
Von vielen im Volk wird die Armee jedenfalls weiter als Verbündeter gesehen. So auch von den Muslimbrüdern: Sie verurteilten ähnlich dem regierenden Militärrat selbst "jeden Versuch, das Militär und das Volk zu spalten und gegeneinander aufzubringen."
Tantawi als Symbol des Mubarak-Regimes
Die nun auf dem Tahrir-Platz aufgekommenen Rufe nach dem Rücktritt von Hussein Tantawi, der dem Militärrat vorsteht, richten sich nach Einschätzung von Büchs allerdings nicht so sehr gegen die Führungsrolle der Militärs als gegen die engen Bindungen Tantawis mit dem Mubarak-Regime. Schließlich war der Feldmarschall 20 Jahre lang Verteidigungsminister unter Mubarak.
Der Ex-Präsident hat sich am Wochenende erstmals seit seinem Sturz vor zwei Monaten zu Wort gemeldet und die "ungerechte Kampagne" beklagt, die gegen ihn und seine Familie geführt werde. Er versicherte, keine Bankkonten, Immobilien oder anderes Vermögen im Ausland zu haben. Mubarak versprach, mit der Justiz zusammenzuarbeiten und sein Vermögen offenzulegen.