Zum Hauptinhalt springen

Personenschutz für antirassistische Politikerin

Von WZ-Korrespondent Tobias Müller

Politik

Sylvana Simons erhält Hass-Mails. Im Zuge des Konflikts um "Zwarte Piet" wird das Klima wenige Monate vor den Wahlen immer explosiver.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 8 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Amsterdam. Die niederländische Politikerin Sylvana Simons steht seit Anfang der Woche unter Personenschutz. Anlass ist eine Welle von Bedrohungen, die der ehemaligen TV-Moderatorin in den letzten Tagen entgegenschlägt. Simons, die aus Surinam stammt, erhielt zahlreiche beleidigende und diskriminierende E-Mails. Daneben erschien im Internet ein Video, in dem das Gesicht Simons’ in historische Bilder gelynchter Afroamerikaner montiert ist. Ein 37-jähriger Mann hat sich inzwischen der Polizei gestellt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn. Simons, die sich vor einigen Monaten der neuen Partei Denk anschloss, wird nun mit "sichtbaren und unsichtbaren Maßnahmen" geschützt, so Parteichef Tunahan Kuzu. Denk, gegründet von zwei türkischstämmigen Dissidenten der niederländischen Sozialdemokraten, gilt Kritikern als Ankara-nah, zum anderen ist die Partei wegen ihres antirassistischen Programms für die Parlamentswahlen im März in der Diskussion. Geplant sind unter anderem die Umbenennung kolonialer Straßennamen und eine Rassismus-Polizei. Sylvana Simons, bekannt für ihr Engagement gegen die umstrittene Figur des Nikolaus-Dieners "Zwarte Piet", gilt als das Gesicht dieser Agenda. Seit ihrem Beitritt ist sie bereits mehrfach das Ziel rassistischer "Shit Storms" geworden.

Seit Mitte November die niederländische Nikolaus-Saison begann, steht Simons erneut im Mittelpunkt des Volkszorns. Unlängst veröffentlichte der Karnevalssänger Rob van Daal ein Lied mit dem Titel "Oh Sylvana", worin die besagte Frau aufgefordert wird, in ihr "eigenes Land" zu gehen, da sie "alles aus dem Zusammenhang" hole. Mit diesem Lied ist auch das Lynch-Video unterlegt. Der Sänger distanziert sich davon.

Politiker aller Parteien sind nun schockiert über das Ausmaß der Aggressionen. Diederik Samsom, Fraktionschef der Sozialdemokraten, sorgt sich um die zunehmenden Bedrohungen gegen Politiker. "Wir haben es bei Geert Wilders gesehen, und nun breitet sich das weiter aus." Wilders, Chef der rechtspopulistischen "Partij voor de Vrijheid" (PVV), wird seit über zehn Jahren wegen islamistischer Morddrohungen rund um die Uhr bewacht.

Wilders’ Partei liegt seit der niederländischen Flüchtlingsdebatte, die vor einem Jahr sehr heftig und zum Teil gewalttätig geführt wurde, konstant an den Spitzen der Umfragen. Im Wahlkampf für die im März anstehenden Parlamentswahlen wird die PVV vor allem auf die Themen Identität und Integration setzen.

Wilders sprach sich im niederländischen Fernsehen ebenso gegen die Bedrohung Simons’ aus, die auf der Denk-Liste voraussichtlich eine prominente Position einnehmen wird. Später merkte er per Twitter an: "Das Allerbeste wäre natürlich, Frau Simons würde vor sich selbst in Schutz genommen und Denk aufgelöst."

Strafprozess gegen Wilders

Wilders war aber selbst zuletzt wegen Rassismusvorwürfen in den Schlagzeilen. Er musste erst am Mittwoch Vorwürfen entgegentreten, er hätte Marokkaner rassistisch beleidigt und zum Hass gegen sie aufgerufen. Kommentar von Wilders: "Dies ist ein Prozess gegen die freie Meinungsäußerung." In seinem Schlusswort im Strafprozess sagte Wilders: "Ich lasse mir von niemandem den Mund verbieten, denn das ist die einzige Freiheit, die ich noch habe."

Das Gericht will sein Urteil am 9. Dezember verkünden. Die Staatsanwaltschaft hatte gegen den Chef der Freiheitspartei (PVV) eine Geldstrafe von 5000 Euro gefordert. Wilders hatte 2014 in Den Haag bei einem Auftritt seine Anhänger gefragt: "Wollt ihr weniger oder mehr Marokkaner" in den Niederlanden? Die Menge rief "weniger", woraufhin Wilders ankündigte: "Dann werden wir das regeln." Es waren rund 6400 Strafanzeigen erstattet worden. 2011 war Wilders noch wegen ähnlicher Vorwürfe freigesprochen worden.

Wilders sprach von einem "politischen Prozess gegen die Meinungsfreiheit", mit dem die Opposition mundtot gemacht werden solle. Er werde seit zweieinhalb Jahren rund um die Uhr bewacht, lebe an geheim gehaltenen Orten und fahre in kugelsicheren Autos. Nun wisse er, was Unfreiheit ist. Und er wisse, "dass islamistische Terroristen von Al-Kaida, den Taliban, dem Islamischen Staat und andere extreme Moslems mich umbringen wollen". Wilders’ Anwalt Geert-Jan Knoops argumentierte, da es keine marokkanische Rasse gebe, könne der Politiker sich auch nicht rassistisch geäußert haben.

Sylvana Simons auf Twitter