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Persönlichkeitstests

Von Rotraud A. Perner

Wissen

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Wahrscheinlich geht es nur um die Daten, meinte ein befreundeter Psychologe, denn auch wenn die konkreten Adressen gelöscht würden, seien die Angaben über Wohnortgröße, Berufsbranche etc. von hohem Wert - nicht nur für die Forschung sondern auch für Firmen. Telekommunikationsfirmen beispielsweise . . .

In C. G. Jungs - einfach graphisch darstellbarer - Konzeption der Persönlichkeit eines Menschen wird der Kern der Persönlichkeit, "das Selbst", umrahmt von zwei konzentrischen Kreisen: den äußersten Rahmen bildet dabei die sogenannte "Maske" oder "Persona" (personare heißt im Lateinischen: durch etwas tönen), das ist das Bild, das wir gerne der Umwelt zeigen. Dahinter liegt dann das "Ego" - das, was man nicht so gerne herzeigt, weil es unedel oder unethisch ist, und vielfach sind sich die Menschen dessen gar nicht bewusst, weil sie es in den Untergrund der Seele verdrängt haben.

Sie glauben dann von sich, was ihnen von anderen rückgemeldet wurde - und das können Loblieder sein oder Flüche. In einer tiefenpsychologisch orientierten Psychotherapie geht es immer um die Selbst-Erkenntnis einerseits der ungelebten Begabungen, andererseits der bedrohlichen Schattenanteile. (Die wenig bedrohlichen weiß man ja und verbirgt sie bewusst.)

Bedürfnis nach Selbsterkenntnis

Schnelle Persönlichkeitstests, wie der vom ORF zur Unterhaltung angebotene, bedienen einerseits die narzisstische Sehnsucht nach Spiegelung durch eine - möglichst liebevolle - Autorität, die einem sagt, wer man ist. Erwin Ringel pflegte gerne die Gedichtzeile zu zitieren: "Dass du mich schätzt, macht mich mir wert." Leider wird vielen Menschen Wertschätzung vorenthalten. Politiker oder Künstler können davon ein Lied singen, sind sie doch permanent der Kritik ausgesetzt - allerdings ist nichts ärger als überhaupt "tot geschwiegen" zu werden.

Andererseits verlocken solche Schnelltests zu unbedachten Polarisierungen - sozusagen Entweder-Oder-Bewertungen. Persönlichkeit spielt sich aber immer in einem wechselnden Kontinuum von Ererbtem, Erworbenem, Reagierendem, Abwehrendem und noch vielem mehr ab - und kann sich durch jedes "Life Event" massiv ändern. Insoferne hat es mich schon gewundert, dass gerade die auf Paare mit unerfülltem Kinderwunsch spezialisierte Sexualtherapeutin Jutta Figl in dem sogenannten Wissenschaftsteam saß. Gerade sie als "Systemikerin" müsste wissen, wie sehr phantasierte "Glaubenssätze" und Zuschreibungen das Selbstbild beeinflussen . . . Ich habe mir das dann so erklärt, dass sie als frühere Vorsitzende des Wiener Landesverbandes für Psychotherapie diese Chance nutzen wollte, unseren Berufsstand einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren.

Etikettierungen

Im "personenzentrierten Ansatz" nach Carl Rogers, der den Gesprächstherapieschulen zu Grunde liegt, geht es primär darum, sich eigener Gefühle bewusst zu werden und Gefühle überhaupt - immerhin ein wesentlicher Teil ganzheitlicher Gesundheit - zu respektieren. Jemandem zu sagen, "Du bist xy" gilt als Anheften eines Etiketts, das auf Bruchstücke der Persönlichkeit reduziert, Suggestivwirkung hat und Persönlichkeitsentfaltung behindert. Insoferne müsste vor solchen Fernsehsendungen die Warnung der Gesundheitsministerin stehen: "Diese Sendung kann ihre Persönlichkeitsentwicklung schädigen!"